Milchmädchenrechnung

neulich habe ich ja geschrieben, wie es ist, einen Kita-Platz zu finden (oder: zu suchen, genauer gesagt). und da fiel mir irgendwann der klassische satz wieder ein: ach nee, ich bleib zu hause – arbeiten gehn lohnt sich nicht, da geht ja mein ganzes gehalt für die kinderbetreuung drauf…

irgendwie hatte ich schon immer ein unbehagen, wenn ich diesen satz gehört oder gelesen habe. aber es war eher diffus. darum habe ich mal versucht, aufzubröseln, was mich alles an diesem satz stört, und das ist ne menge:

1. den satz sagt meistens eine – frau. grade mammi geworden. abitur oder handelsschule, ne gute ausbildung oder gar studium, schon ein paar jahre im job.

2. hat die mammi das kind alleine bekommen? ich meine, sich alleine dafür entschieden, eine familie zu gründen? meistens ist man ja zu zweit (in einer heterobeziehung). und wenn man ein kind zu zweit bekommt, wirtschaftet man meistens auch zusammen. warum ist es dann plötzlich IHR gehalt, was für die kinderbetreuung drauf geht? ist es etwa ihr privatvergnügen, arbeiten zu gehen? warum wird es nicht von SEINEM gehalt abgezogen, wenn er sich schon den luxus gönnt, weiterhin vollzeit zu arbeiten?

3. weitergedacht: selbst wenn jetzt ihr (netto)gehalt für die kinderbetreuung drauf geht (aber siehe 2.), bis das kleine drei jahre ist und anspruch auf einen kindergartenplatz hat (wenn kein geschwisterchen kommt, das dann wieder drei jahre von mammi versorgt wird), dann hätte sie in den drei jahren, in denen sie gearbeitet hätte trotzdem noch in die sozialkassen gezahlt, eventuell tariferhöhungen mitbekommen, die ein oder andere fortbildung gemacht und nicht den bezug zum job verloren. kann also keine_r sagen, dass der kollege befördert wird, weil er ja weiß wie der hase inzwischen läuft. die drei jahre raus aus dem job könnten also noch teurer kommen, wenn sie dann erst wieder einsteigt.

4. auch wenn ich es sehr traurig finde, dass arbeit (die nicht jedem/jeder spaß macht) so wichtig ist in dieser gesellschaft, dass menschen dabei ausgebeutet werden, ihre zeit mit mehr oder weniger stumpfen tätigkeiten verbringen und somit den eigenen nachwuchs ‚wegorganisieren‘ müssen: rückzug hilft auch nicht!  und nach dem neuen unterhaltsgesetz ist es doppelt naiv zu glauben, dass man als frau ja irgendwie immer versorgt ist, wenn man in einer ehe lebt. ich meine, keines der ehepaare, das sich hat scheiden lassen hat bei der hochzeit gedacht ‚wir werden eh nicht zusammen alt‘.

5. und wo wir schon mal bei ‚den männern‘ sind: wie unfair ist es, einer person die finanzielle verantwortung für die familie aufzuhalsen? ich bin schon froh, zu wissen, das wenn mir der job total stinkt oder mein vertrag ausläuft oder was auch immer, nicht das ganze gerüst aus lebenserhaltung, zukunftsplanung und co. zusammenfällt weil ich mal einige monate nicht mehr kann. nicht, dass ich möchte, dass es soweit kommt. aber gut zu wissen, dass es dann auch weiter geht. und meinem freund hilft es vielleicht auch, wenn am ende des monats noch etwas geld übrig ist.

6. und von dem ganzen mutter- und familienbild, der frage ob es nicht viel befriedigender ist kinder zu versorgen als einer blöden arbeit nachzugehen und co. schweige ich an dieser stelle. aber auch da brodelt es immer wieder in mir, also werde ich dazu auch noch mal schreiben…

14 Kommentare

Eingeordnet unter familie, feminismus

14 Antworten zu “Milchmädchenrechnung

  1. David von Schewski

    Also was ich als Mann auch so sehe ist, das sich nicht kapiere wie – und da skommt ja halt eher von Männern – noch immer manche Kerle ein problem damit haben, wenn die Frau arbeiten geht oder womöglich sogar mehr Euronen nach Hause bringt als man selber. Ist doch super, in der heutigen Zeit ist der Job so unsicher, gute Leistung und gute Qualifikation bedeuten nichts mehr, alles wird mehr und mehr zu Willkür – um so mehr Geld in die Kasse kommt, um so besser. Als Mann hift es mir tatsächlich sehr, zu wissen, dass nicht alles an „mir“ hängt. Darum würd eich mir auch nie freiwillig eine „dumm oder dümmere“ Frau suchen, was ja offenbar immer noch sehr verbreitet sein soll.
    Was bei Deinen Gedanken aber etwas unheilvoll mitschwingt ist, dass genau dieser ganze Wust an Ja, Nein, Pro & Contra so ekelig vorkommt, dass mein eigener wunsch, vielleicht doch nochmal Vater zu werden, leider schon im Vorhinein ziemlich weit unten angesiedelt ist.Angeblich soll ja anders sein, wenn es denn dann soweit ist, aber ich habe oft das Gefühl ein Kind macht jungen Menschen unter den heutigen Umständen mehr kaputt als dass es etwas kittet. Aber wie gesagt: nur eine Befürchtung von außen.

  2. hallo david, den letzten absatz versteh ich nicht ganz: warum ist dein vaterwunsch weit unten angesiedelt? weil es so schwierig ist, familie zu organisieren oder weil so viele frauen zu hause bleiben wollen?
    und ja, kinder kriegen ist schwierig, im sinne von: trotzdem noch arbeiten gehen, freunde haben, spaß haben. aber um irgendwas zu kitten sollte man keine kinder bekommen 😉 und with a little help from my friends und der familie geht’s grade noch ganz gut. aber so froh ich auch bin, dass das elterngeld eingeführt wurde, ich denke der große knackpunkt ist und bleibt eine kinderbetreuung, die für ausreichend kinder zur verfügung steht und bei der die eltern guten gewissens sagen können, dass sie dort ihre kinder gut aufgehoben wissen! beste grüße

  3. David von Schewski

    Naja, weil ich mich schon auch so oft genug Frage, ob ich als Vater wirklich so der Haupttreffer wäre oder ob ich nicht so verantwortungsvoll sein sollte und es dann besser komplett bleiben lasse, bevor ich hinterher noch einer jener Väter werde die sich verpriemeln…andererseits sagen ja nicht wenige, dass gerade dieses verantwortungsvolle nachdenken mich schon weit mehr dafür qualifiziert als manch tumben Thor, der absolut hirnfrei in seine Vaterschaft latscht…
    Naja und wennich dann noch das ganze formale Gemetzel nu mitbekomme, Sorgerecht und wer darf was, wer macht was, was ist steuerlich besser….herrje….

    • ach, ich kenne keine perfekten eltern. weder mütter noch väter. und das paare sich trennen, ist manchmal auch besser für die kinder. wie man die kinder dann mit einbezieht ist eine andere sache. aber man muss ja nicht schon am anfang mit nem schlimmen ende rechnen! also los, fortpflanzen gehn!

  4. Pingback: Schlafen, Geld und Familienbegriffe « fuckermothers

  5. Pingback: Also los, fortpflanzen gehen (Lisa) | Nusenblaten

  6. Guten Morgen, Frau glücklich scheitern. Wir nehmen heut mal lächelnd Bezug auf die hiesigen Kommentare: http://nusenblaten.wordpress.com/2011/10/24/also-los-fortpflanzen-gehen-lisa/
    Einen wunderschönen Wochenstart!

  7. mate

    die formulierung „den luxus gönnt, weiterhin vollzeit zu arbeiten“ wiederspricht ja wohl – zum glück! – eindeutig punkt 4 und 5.

  8. Pingback: Feministin und Mutter Sein – Müssen nur wollen? | glücklich scheitern

  9. Ich möchte noch einen Punkt 7 ergänzen: Der Satz: Och nee, ich bleib zu Hause, da geht ja mein ganzes Gehalt für die Kinderbetreuung drauf geht auch oft so: Die Arbeit lohnt sich gar nicht, wenn ich die Kinderbetreuung abziehe und dann noch die schlechte Lohnsteuerklasse. Da kann ich gleich zu Hause bleiben, für die paar Kröten.
    Die Verteilung der Lohnsteuerklassen scheint gottgegeben, ein Naturgesetz, das nicht hinterfragt wird. Dass Papi (unterm Strich im laufenden Monat) mehr verdient durch Ehestatus ist richtig und gut, so wie es normal scheint, dass dafür Mami quasi nix rauskriegt. De facto ist es jedoch so, dass man bei gleicher Lohnsteuerklasse aufs Jahr gerechnet nicht mehr zahlt, es ändert sich nur die monatliche Belastung und die Rückzahlung. Unterm Strich bleibt die steuerliche Belastung also gleich. Mir scheint nur, dass das kaum jemand weiß…
    Danke für Deine lesenswerten Texte!
    Melanie

  10. Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Feministin und Mutter Sein – Müssen nur wollen?

  11. Pingback: Kopfrechnen | glücklich scheitern

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