Haben Männer kein Geschlecht?

die frage stell ich mir immer, wenn ich aus meinem seminar komme. ich gebe referatsthemen selten vor, also thema ist natürlich das seminarthema, aber ich mache keine ‚textreferate‘, bei denen studierende einen text wiederkäuen, der eigentlich von allen gelesen werden sollte oder so. manche überfordert das verständlicherweise. was mich dennoch wundert: wenn es um ‚gender‘ geht kommen als vorschläge seitens der studierenden (überspitzt und zusammengefasst): „frauen in männerberufen“, „benachteiligung von frauen in der globalisierung“ oder so. männer (von anderen geschlechtern ganz zu schweigen) kommen nicht vor, auch das geschlechterverhältnis als thema gänzlich. dabei mache ich am anfang immer auch darauf aufmerksam, dass jeder mensch ein geschlecht hat, bzw. diesem zugeordnet wird – wieso kommt das bei studierenden nicht an?

darum betrachte ich gegenwärtige trends in der geschlechterpolitik und -forschung auch mit gemischten gefühlen: einerseits waren männer in der geschlechterforschung, die traditionell eben aus der frauenforschung kommt, lange untererforscht(also eigentlich ja nicht, sie galten als norm, aber dadurch wurden ergebnisse eben verallgemeinert). in den letzten jahren zeigt sich männerforschung dagegen als topthema. ich kann die konferenzen, vorträge und professuren zu der thematik gar nicht mehr zählen. finde ich generell in ordnung, ist ja auch ein thema, aber essentialisiert – ungewollt – auch wieder die geschlechtergruppen ‚frauen‘ und ‚männer‘, die durch den rhetorischen wechsel von ‚frauen-‚ zu ‚geschlechterforschung‘ aufgebrochen wurde. das zum einen. und die konservative politik macht aus dem komplexen feld ‚männerforschung‘ bestenfalls schlichte forderungen wie: männer in kitas und grundschulen, oder piraten und ritter in diktate. grauenhaft. männerförderung statt frauenförderung wo die ressourcen eh schon knapp sind. da stimmt was nicht, find ich.

6 Kommentare

Eingeordnet unter feminismus

6 Antworten zu “Haben Männer kein Geschlecht?

  1. nerd

    wie wahr, wie wahr.

    gründe demnächst meinen eigenen planeten ohne norm-schrott. der nächste vorbeifliegende asteroid ist meiner.

  2. Dennis

    Nunja..
    ich denke, es ist was dran an Deinen Punkten. Es geht ja auch grundsätzlich überall erstmal darum, die Gender-Frage in allen Seminaren etc. zu klären,damit sich niemand benachteiligt fühlt – wir wenden bei jedem unserer Seminare eine Seite auf, um nur ganz kurz darauf hinzuweisen, dass sich jeder von unseren Materialien angesprochen fühlen darf und wir nur der Einfachheit halber bei der bekannten Form bleiben.

    Grundsätzlich liegt es vielleicht aber einfach daran, dass sich Frauen benachteiligt fühlen, und Männer eigentlich zufrieden mit ihrer „Rolle“ sind?

  3. hm, ich hab ja die meisten genderseminare gemieden, aber als das in ethnologie dran war (und auch in kommunikation) musste ich feststellen, das meine kommiliton*innen durchaus textsicher waren, sich aber davon nix, rein garnix, in ihr praktisches wissen rüber gerettet hat. da konnten sich meine dozent*innen den mund fusselig reden. und wir mit ihnen.
    alles was ich verzeichnen konnte, war eine grobe abwehrhaltung. frei nach „bring mein weltbild nicht durcheinander“. das hatte zur folge, dass die diskussionen auch in den themen hängen geblieben sind, die alle aus medien oder der schule kannten.
    einzige ausnahme ein seminar zu gender and security. das war großartig.

  4. 西野賢治

    Das Ziel der Gender Studies ist nicht die Erforschung von Frauen. Das ist selbstverständlich großer Quatsch. Auch mein ehemaliger Englisch-Dozent meinte, wenn es um Frauen ginge, wäre das automatisch auch eine Gender-Frage.
    Es gibt auch die Sparte der Men’s Studies, worin speziell Männlichkeiten und deren Konstruktion untersucht werden. Das Problem dabei meiner Meinung nach, dass die Frage von Sexualität(en) hierbei immer noch weithin ausgeklammert wird. Aber das ist ein anderes Thema.
    Männer haben auch ein Geschlecht. Die Verbindung Frauen=Gender ist äußert gefählich, denn sie lässt das männliche Geschlecht als natürlich und unmarkiert erscheinen. Dagegen muss auf alle Fälle angegangen werden.

    • ich denke, da sind wir einer meinung. erforschung auf jeden fall. und das auch männer als thema in die politik gehören, gerne. es bleibt nur ein unwohlsein, wenn letzteres mit den eh knappen ressourcen passiert, die bisher für ‚frauenförderung‘ gedacht waren.

      • 西野賢治

        Dann sind wir vielleicht doch nicht so ganz einer Meinung. Gender Studies sind keine Frauenforschung und sollten damit auch nicht aus dem Topf für Frauenförderung finanziert werden. Aber da drehen wir uns jetzt im Kreis.
        Mein Vorschlag wäre daher, weniger die Konzentration auf ein Geschlecht voranzutreiben, sondern die gegenseitige Beeinflussung und gegenseitige Konstruktion der jeweiligen Rollen. Auch die Ausdifferenzierung durch queere Ansätze muss meiner Meinung nach weiter fortgeschritten werden. Es gibt einfach so viel, worüber ich mich aufregen kann.. 😉

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