Der Mythos (m)einer selbstbestimmten Geburt

ich hab mir schon lange vorgenommen, etwas zum thema selbstbestimmung und geburt zu schreiben. ende der vergangenen woche kam bei twitter unter dem hashtag #selbstgeboren eine riesige welle von blogbeiträgen dazu ins rollen. ausgelöst durch ein geplantes buchprojekt einer hebamme.

„Geburt funktioniert! Es kann ganz einfach sein, wenn Frauen währenddessen die Möglichkeit haben ganz bei sich zu bleiben und zurückhaltende und bestärkende Begleitung dabei erfahren.“ schreibt diese hebamme. achwas, denk ich mir, in loriotschem ton. ihr ansinnen ist es, berichte von „selbstbestimmten“ geburten zu sammeln und frauen damit mut zu machen, dass eine geburt ohne eingriffe möglich ist. oder wie sie schreibt: „Es spielt dabei keine Rolle wo Dein/ Euer Kind zur Welt gekommen ist, oder wo Dein Arbeitsplatz ist, wenn Du Hebamme bist. Wichtig ist ein physiologischer Geburtsverlauf, frei von Manipulation oder Eingriffen von Außen. (D.h: Ohne künstlich eingeleitete Wehen, PDA, Kristellern, Dammschnitt, Saugglocke oder Kaiserschnitt.)“

dennoch bin ich nicht gleich auf den zug gesprungen, die viel berechtigte kritik an diesem projekt mit meiner perspektive zu untermauern. denn irgendwie schien oder scheint mich was anderes zu ‚triggern‘, als viele mitbloggerinnen. da wird von mommy wars gesprochen, und wer denn die bessere mutter sei bzw. das man sich durch mütter, die eine „natürliche“ geburt hatten als kaiserschnittmutter abgewert fühlt. obwohl ich einen (sekundären) kaiserschnitt hatte, fühlte ich mich nicht schlechter als die fraktion der „spontangebärerin“. aber ich fühlte mich trotzdem scheiße. und das hatte weniger mit vergleichen zu tun, als mit dem gefühl von ohnmacht und fehlender selbstbestimmung unter der geburt.

denn natürlich gehört die reflektion der eigenen geburt dazu. und die frage: wie habe ich diese erlebt, was fühlte sich selbstbestimmt an und warum, und was nicht? was ist meinem gefühl nach schief gelaufen, was lag in wessen verantwortung, und kann man in dieser situation überhaupt „verantworten“?

ich glaube, „selbstbestimmung“ in einem kontext wie dem ausnahmezustand geburt ist eine verdammt komplexe angelegenheit. ich erlebte den teil, den man wohl übergangs-/austreibungsphase nennt, in totalem ausnahmezustand, nahm nur bruchstücke dessen wahr, was um mich geschah. aber um es anschaulicher zu machen, werde ich schreiben, wie ich die geburt (und die vorbereitungen) erlebte, wo ich das gefühl hatte, das mir die „selbstbestimmung“ entglitt und für wen ich mir ein solches projekt wie das oben genannte wünsche…

DIE VORBEREITUNGEN

auch 2010 war es schon nicht einfach, eine beleghebamme zu finden. erst muss man ja auch entscheiden, wo man entbinden will. eine hausgeburt kam für mich nicht in frage. nicht weil mir das zu unmedizinisch oder unsicher erschien. aber ich wohne im 5. stock eines altbaus ohne fahrstuhl. ich konnte mir nicht vorstellen, das, sollte eine verlegung ins krankenhaus nötig sein (und ja, das kommt gar nicht sooo selten vor, ich habe mich da informiert) mich irgendwer da unter wehen runter bekommt. das geburtshaus liegt in einem anderen stadtteil und ich machte mir sorgen, dass wir in der hauptverkehrszeit vielleicht nicht rechtzeitig dort sein könnten (im nachhinein sind das gedanken einer großstädterin, sooo weit ist es nicht, aber gut). also las ich erfahrungsberichte von krankenhäusern mit entbindungsstationen. ich schaute mir mit dem mann das krankenhaus an, das mir am sympathischsten erschien, zudem um die ecke lag und sich mit einer niedrigen kaiserschnitt- und dammschnittrate rühmte.

vorab recherchierte ich trotzdem hebammen. schließlich sollte die chemie stimmen und ich wollte auch die vorsorge schon bei hebammen machen. trotzdem dauerte es eine weile, bis ich diese schritte alle erledigen konnte. erst mal dauerte es eine weile, bis ich mich überhaupt an den gedanken, ein kind zu bekommen, gewöhnt habe. nicht, dass ich das kind nicht gewollt habe, im gegenteil, aber es war zunächst trotzdem sehr abstrakt. ich hatte dann mehrfach glück mit unseren hebammen: die chemie stimmte, sie arbeiteten als beleghebammen in meinem wunschkrankenhaus und als „nachrückerin“ konnte ich sie dann auch als beleghebammen gewinnen. ich meine, wie viel zeit bleibt einer für die auswahl einer hebamme? wie viele soll/kann man sich angucken undundund? also ja, ich fand, das war glück.

zwei punkte also abgehakt auf meiner to-do-liste. hebamme und krankenhaus: check. zu den weiteren vorbereitungen gehörte das lesen von geburtsberichten. genau, in diesem internet. die einen sagen ja, besser die finger davon lassen. mir hat es sehr geholfen. das gute: es gab berichte von „glatt“ laufenden geburten und von solchen, die weniger glatt liefen. die spannweite war sehr groß und nach einer weile bekam ich ein gutes gefühl dafür, was ICH wollte, wie ich mir MEINE geburt vorstellte. ja, ich überlegte mir auch so was wie (wunsch)kaiserschnitt und pda. denn das ganze gerede von „natürlichen“ geburten war mir suspekt. ich lass mir ja auch nicht ohne betäubung die weisheitszähne ziehen, nur weil das „natürlicher“ ist. die natur hat sich sicher bei vielem was gedacht, aber warum sollte ich darunter „leiden“? ich entschied mich dann aber gegen einen wunschkaiserschnitt. zum einen war ich neugierig wie das so ist mit den wehen, zum anderen schrieben die kaiserschnittmütter vor allem davon, dass die schmerzen hinterher viel unangenehmer waren und sie sich nach möglichkeit noch mal für eine spontangeburt entscheiden würden. ok, also möglichst spontane vaginalgeburt oder wie der korrekte ausdruck ist. bei pda blieb ich neutral, bzw. wollte es situationsabhängig entscheiden. ich las von müttern, denen die pda unglaublich geholfen hat, weil sie zeit brachte um neue energie zu tanken und zu entspannen. ich las genau so von gebärenden, bei denen die pda einen teufelskreis von interventionen nach sich zog. ergo: das wollte ich nicht vorab entscheiden. auf keinen fall wollte ich einen wehentropf oder eine einleitung, da schrieben die wenigsten gutes drüber. ach, machen wir es kurz: ich „entschied“ mich für eine geburt in der wanne. wassergeburt, das klang wie das nonplusultra. natürlich las ich auch noch die üblichen infobroschüren, besuchte einen geburtsvorbereitungskurs und lieh mir aus der bibliothek dvds zum thema geburt aus. im nachhinein wundert es mich, dass ich bei der recherche nicht über hypnobirthing und co. gestoßen bin – vielleicht hätt ich einen kurs besucht. ich fühlte mich nun bestens vorbereitet.

ES GEHT LOS

ich war bei der geburtsvorbereitenden akkupunktur, lies mir noch einen termin für die kommende woche geben, weil ich das gefühl hatte, zu übertragen. zu hause legte ich mich auf die couch und schaute „Zwei bei Kallwas“. ich war enttäuscht, war mir nach 15. minuten schon klar, wie die auflösung lautet. plopp, fruchtblase geplatzt. eindeutig. hebamme angerufen, mann angerufen. die hebamme kam zu mir, untersuchte mich und wir verabredeten uns für halb neun am nächsten morgen in der entbindungsklinik. sollten sich vorher starke wehen einstellen, sollte ich sie natürlich anrufen, ansonsten hieß es erst mal: warten. spät abends machten sich die ersten wehen bemerkbar. in dem stadium, wo man sich fragt: fühlen die sich so an? dann ist ja gut…nachts gegen zwei siegte dann die müdigkeit über die aufregung und ich beschloss, mich doch noch mal ins bett zu legen. ich schlief ein, wurde zwischendurch vom ziehen im unterleib geweckt, schlief weiter. morgens klingelte der wecker, wir packten unsere sachen und gingen los. auf dem 10minütigen fußweg zur klinik verschwanden die wehen kurzzeitig. zur aufnahme war meine hebamme da, brachte uns aufs zimmer und gab mir einen kleinen wehendrink (ich glaub, rhizinusöl war der hauptbestandteil?). auf dem weg zum zimmer bat ich meine hebamme um einen einlauf (ich hatte recherchiert, bei einer geburt verliert man möglicherweise die kontrolle über den darmausgang, ergo kackt. das wollte ich nicht, hätte mir wohl nicht bei der ‚entspannung‘ geholfen…), da ich ja auch in die wanne wollte. meine hebamme antwortete etwas wie: „wir brauchen keinen einlauf, vielleicht gehen wir ja auch gar nicht in die wanne“. als nächstes verlangte ich die papiere für pda und kaiserschnitt. das wollte ich bei klarem verstand erledigen, sollten diese eingriffe notwendig sein. auch hier: das wird nicht nötig sein.

ich will eines gleich deutlich machen: ich gebe meiner hebamme nicht die „verantwortung“, dass ich mich hier übergangen fühlte. ihre botschaft war vermutlich mehr ein beruhigendes: alles wird gut, ich kümmer mich. für mich fühlte es sich aber doof an, andererseits war ich in dieser situation so aufgeregt und verwundbar, dass ich mich da auch nicht durchsetzen konnte/wollte. ich vertraute einfach darauf, dass sie schon weiß, was gut ist.

die eröffnungsphase verlief für mich super: der mann und ich waren erst auf dem zimmer und der wehenantreibende cocktail regte auch meine verdauung an. so musste ich mir darum schon mal keine gedanken mehr machen. weil das wetter schön war, gingen wir noch runter in den garten des krankenhauses. ich veratmete die wehen, wir lachten. irgendwann fühlte ich mich im hof nicht mehr ’sicher‘ und wollte zurück aufs zimmer. dort wurden die wehen stärker, ich hielt mich am bett fest und ging zum atmen in die hocke. ging noch einmal den stationsflur rauf und runter und hatte dann das gefühl, jetzt ginge es los. ich sagte also zum mann, ich wolle in den kreisssaal. wir klingelten, eine der krankenhaushebammen machte auf und brachte uns ins wehenzimmer. dort wurde ich ans ctg angeschlossen. dafür musste ich liegen, was ich ätzend fand. mal ehrlich, mehr frauen in die medizintechnik! dieses ctg sollte mich auch später noch fertig machen, aber alles schön der reihe nach. meine hebamme kam kurze zeit später und untersuchte mich. sie gratulierte mir, der muttermund war komplett offen! halleluja, dachte ich, das war ja einfach (und ich betrachte das nicht als meine leistung, ich habe da wohl eher eine gute konstitution geschenkt bekommen)! ein anderer teil meines verstandes kam aber irgendwie noch nicht hinterher, dass es jetzt „richtig“ los gehen sollte. Ich bekräftigte noch mal meinen wunsch, in die wanne zu wollen und meine hebamme ging los um wasser einzulassen. als sie wieder kam, schienen ihr aber die herztöne des babies nicht zu gefallen und sie sagte, das mit der wanne würde wohl nichts, wir müssten direkt gegenüber in den kreisssaal. ich war enttäuscht. ich kann gar nicht sagen wie enttäuscht. und was hieß das überhaupt, dass die herztöne nicht so toll sind? war das was ernstes? muss ich mir sorgen machen? jetzt kamen die wehen aber so heftig und schnell hintereinander dass ich offen gestanden nicht weiter über das baby nachdachte, sondern daran, die schmerzen zu verarbeiten. im nachhinein muss ich ein bisschen an zirkeltraining denken: erst aufs bett und am tuch hängen (ich hatte in einem video was über die rückenmuskulatur gesehen, und dass der untere teil sich gut entspannt, wenn der obere angespannt ist. ich streckte also meine arme und meinen oberen rücken und hoffte, das macht unten alles locker). dann in die tiefe hocke. das blöde wehenschreiberdings verrutschte ständig, was ich am rande mitbekam und einfach nervte. die hebamme tastete mich bei jeder wehe ab, was ich irgendwie unangenehm fand. vermutlich wollte sie schauen, wie tief das köpfchen war oder wie es im becken lagt. vielleicht hat sie es mir auch erklärt, aber ich war nicht mehr besonders aufnahmefähig. ach ja, vorher schon (bei der aufnahme?) wurde mir ein zugang gelegt. präventiv wie es hieß. ahso, präventiv zugang aber keine unterschrift für kaiserschnitt und co? aber weiter in der reihenfolge: die tiefe hocke fühlte sich ganz ok an und ich merkte einmal, wie das köpfchen endlich in den geburtskanal flutschte. offensichtlich stresste aber der druck das baby zu sehr und ich wurde zum geburtshocker gebracht. noch angenehmer, aber die wehen wurden schwächer…ich weiß nicht, wie viel zeit bereits vergangen war, aber ich wurde aufs bett gebracht und sollte mich auf die seite liegen. NEVER wollte ich so liegen. das kreißbett war für mich eine horrorvorstellung. aber ich sollte ein wenig kraft tanken und für das baby war es wohl auch besser. ich fühlte mich schlecht. weiter kann ich nicht ganz der chronologie folgen, weil alles vor mir verschwimmt, aber es ging ungefähr so weiter: die ärztin schaute rein. sie erklärte mir, sie könnte blut aus dem köpfchen des kindes abnehmen um zu gucken, ob es genug sauerstoff hatte. vermutlich sagte sie das genau so und sachlich. was ich hörte? WIR BOHREN EIN LOCH IN DEN SCHÄDEL IHRES KINDES UND HOLEN DA BLUT RAUS! und wie sollten sie das tun? durch den bauch? durch die scheide? dann müsste ich ja still auf dem rücken liegen NÄCHSTE WEHE luft holen, mann angucken….NEIN! auf keinen fall. – die ärztin hat sich sinnvoll verhalten und vermutlich wäre diese mikroblutuntersuchung hilfreich gewesen. hätte mir zu einem selbstbestimmten weiteren verlauf der geburt geholfen. hätte man mir noch mut zusprechen sollen, diese untersuchung machen zu lassen? wurde hier meine meinung und mein wunsch respektiert? oder bin ich selber schuld, dass ich diese untersuchung abgelehnt habe und es deshalb so weiter ging, wie es weiter ging? selbstbestimmung ist ein schweres wort…ich glaube, die ärztin ging noch mal und es wurde mir vorgeschlagen, einen wehentropf anzulegen. NEIN, das wollte ich doch nie! ich hatte doch wehen! stark und schnell hintereinander. man legte es mir noch mal nahe und ich stimmte zu, schließlich war mir ja klar, dass es jetzt mal langsam voran gehen musste. ironie des schicksals: alle geräte sind irgendwie auf rechtshänderinnen ausgelegt. ich wollte aber schon den zugang lieber rechts haben, da der linke arm eben mein „bewegungsarm“ ist. nein, alles musste auf die linke seite, ich fühlte mich so noch mehr in meiner bewegungsfreiheit eingeschränkt. der zugang oder der schlauch oder irgendwas fiel ständig raus, was ich selber gar nicht merkte.

offensichtlich kam die ärztin wieder. meine hebamme ging zur eingangstür und unterhielt sich mit ihr. hinterher erzählte sie mir, dass sie ihr sagte, wir probieren es noch ein paar minuten und sie würde sich dann wieder melden. die ärztin kam aber zu mir und sagte: sie sind aber auch schon ganz geschwächt, wir sollten mal über einen kaiserschnitt nachdenken. ich war fix und alle. ja, ich war erschöpft (laut geburtsbericht dauerte die austreibungsperiode nun schon drei stunden oder mehr), ich habe nur einmal gemerkt, dass das köpfchen das becken gen ausgang verlassen hat. ich hatte „schlechte herztöne“ im ohr und „blut aus dem kopf abnehmen“. ich wollte, dass das alles aufhört. der oberarzt wurde dazugerufen (ich weiß nicht, wer ihn holte), der nickte auch. ich stimmte zu. ich hätte auch zugestimmt, wenn man mir vorgeschlagen hätte, das kind mit einem löffel aus meinem bauchnabel zu schaben. hauptsache ende.

der wehentropf wurde gegen einen wehenhemmer ausgetauscht. tja, irgendwie war dafür aber ein anderes gerät notwendig, dass irgendwo verliehen war. mir musste ein neuer zugang gelegt werden und offensichtlich durfte eine ärztin im praktikum an mir genau das üben. mein arm war jedenfalls am tag danach blau und grün. meine hebamme griff dann durch und holte einen anderen arzt, der mir dann den zugang vernünftig legte. die anästhesistin kam mit ihren fragebögen und ich setzte sowas wie eine unterschrift drunter. der mann erzählte mir hinterher, er wär ihr am liebsten an die gurgel gegangen, weil sie jedesmal die augen verdrehte, wenn ich mit einer wehe beschäftigt war, statt ihr zu antworten. nun denn, hektik, fahrstuhl, op. wie gut das tat, als der schmerz nachließ. meine hebamme wurde noch mal weggeschickt (!) weil eine wehende frau mit dickem bauch und ihre beleghebamme offenbar nicht ausreichten, um dem op-team zu beweisen, dass hier ein kaiserschnitt gemacht werden sollte, sie musste die 5 etagen wieder hoch und die ‚überweisung‘ holen. naja, ab hier ging alles schnell: ruckelruckel, ein schwacher schrei. der mann geht mit hebamme und baby kurz in den nebenraum, dann wird mir das baby ins bett gelegt, wir fahren wieder hoch, kommen in den kreissaal, werden in ruhe gelassen, später gewaschen, das baby gewogen…mutter und kind „wohlauf“.

und ich war mit der frage allein: warum wurde es ein kaiserschnitt? ich hatte kein schlechtes gewissen, meinem baby gegenüber, wie so viele mütter. minime war gesund und ich behaupte, ihm war es pupsegal wie er auf die welt kam. mir aber nicht. ich fühlte mich übergangen, allein gelassen und verwundbar. in dieser situation, die ich nicht kontrollieren konnte, in der ich den körpergewalten ausgeliefert war. ich bekam auch keine eindeutige antwort auf die frage, warum der kleine nicht auf dem „natürlichen“ weg raus wollte. ja, er hatte die nabelschnur rucksackartig umwickelt. aber sooo lang ist der ausgang ja auch nicht. lag er vielleicht auf dem trockenen und konnte das köpfchen nicht mehr in den ausgang drehen? aber fruchtwasser wird ja ständig neu gebildet und einmal hat er es ja immerhin in die richtige richtung geschafft. weder mein gynäkologe noch die hebammen auf der station wollten/konnten mir sagen, warum es nicht geklappt hat. ich fühlte mich als versagerin. letzten endes waren es vielleicht die zeitparameter, die die ärztin dazu bewogen, jetzt auf nummer sicher zu gehen. in den geburtsbericht schrieb sie „patientin wünscht kaiserschnitt“. ich hasse sie dafür.

wow, ich bin dann doch ein wenig ausgeufert. worauf ich hinaus wollte: ich war „gut vorbereitet“ und hatte alle vorkehrungen für eine „natürliche, interventionsarme“ geburt geschaffen. die eröffnungsphase war für mich ein spaziergang. manche interventionen hätte ich aber gewollt (einlauf, papierkram), andere währen vielleicht sogar sinnvoll gewesen (mikroblutuntersuchung). bei den einen wurde mein wunsch nicht gehört, bei den anderen wurde mein wunsch sofort ernst genommen, obwohl es anders vielleicht sinnvoller gewesen wäre. was heißt also selbstbestimmung unter der geburt und wer trägt dafür die verantwortung? ich glaub da gibt es keine eindeutigen antworten. eine freundin sagte vor der geburt zu ihrer hebamme, sie wolle auf keinen fall eine pda. unter der geburt fragte sie mehrfach danach, aber ihre hebamme hielt sich an den zuvor geäußerten wunsch. meine freundin ist damit sehr glücklich, es „ohne“ geschafft zu haben. was aber, wenn sie diese pda wirklich „gebraucht“ hätte, wenn sie ohne pda traumatisiert gewesen wäre? was ist da selbstbestimmung?

meiner hebamme, um es noch mal deutlich zu machen, mach ich keine vorwürfe: sie war die meiste zeit an meiner seite, war damit beschäftigt, neugierige hebammenschülerinnen fern zu halten, das ctg zu überwachen und gelegentlich wieder an ort und stelle zu bringen, mir was zu trinken zu reichen, die ärztin im praktikum zu verjagen die keinen zugang legen konnte, mir gut zuzureden, sie „mogelte“ einen cm vom muttermund weg (behauptete also ggüber der ärztin, wir seien erst bei 9cm) um etwas zeit zu schinden undundund.

DIE NACHWEHEN

ich ging mit minime zur babymassage. in der ersten stunde sollten wir uns kurz vorstellen und auch erzählen, wie die geburt verlief. ich erzählte, dass minime mit kaiserschnitt geboren wurde, ich aber nicht genau wüsste, warum. darauf sagte die kursleitende hebamme „vielleicht waren sie nicht entspannt genug“. ich hätte meine sachen packen und gehen sollen. aber ich glaubte, sie hatte recht. darüber hinaus hat der kaiserschnitt zur folge, dass ich mir den nächsten geburtsort noch genauer aussuchen muss: hausgeburt bleibt wegen immer noch gleicher wohnung tabu und es gibt auch wenige hebammen, die nach einer kaiserschnitt eine hausgeburt betreuen. das geburtshaus schließt frauen mit vorangegangem kaiserschnitt als kundinnen aus. das nächste krankenhaus, dass bekannt dafür ist, den gebärenden sehr viel zeit zu lassen und kaiserschnitte nur bei medizinischer indikation (oder auf ausdrücklichen wunsch im sinne eines echten wunschkaiserschnitts) durchzuführen, und das sogar eventuell in der wanne (ja, davon träum ich immer noch) ist über 20 minuten autofahrt weg. zwar sagen viele, die zeiten von „einmal kaiserschnitt, immer kaiserschnitt“ sind vorbei, dennoch mach ich mir gedanken.

SELBSTGEBOREN

ich fühle mich nicht von dem projekt angegriffen. mir ist total klar, dass auch ich mein kind selbstgeboren habe und die geburt weder schlechter oder besser war, weil es ein kaiserschnitt wurde. aber MIR hätte so ein buch im vorfeld ganz sicher nicht geholfen. mir persönlich ging es mit dem kaiserschnitt nicht gut, ich fühlte mich ausgeliefert und verlassen. nicht in den augen anderer mütter oder solcher hebammen. aber diese biologisierung von mutterschaft und geburt, diese natürlichkeitsrhetorik und co machen nichts besser. selbstbestimmt kann auch das bestehen auf „eingriffen“ sein. und ausschließlich den gebärenden zu suggerieren, sie seien für diese selbstbestimmung verantwortlich, entweder dadurch, dass sie sich den richtigen geburtsort, die richtige hebamme aussuchen oder „entspannt“ sind, ist purer hohn und verkennt diesen ausnahmezustand. ein sinnvolles projekt, das gebärende ermutigt sollte dazu beitragen, dass die ganze spannweite von geburtsabläufen sichtbar gemacht wird, damit man ein realistisches gefühl dafür bekommt, was eine erwarten kann. dass vielerorts auch unnötige interventionen statt finden, steht da noch auf einem anderen blatt, denn darauf hat die gebärende selbst kaum einfluss. da müssen die fachleute, hebammen, gynäkolog_innen und auch diejenigen, die für die abläufe bei geburten sonst noch mitverantwortlich sind dran arbeiten. diese „bürde“ kann man nicht auch noch den frauen auflasten.

(und das bei diesem projekt frauen und menschen, die nicht „selbstgeboren“ haben und dennoch mütter/eltern sind unsichtbar gemacht werden, lass ich außen vor)

vielleicht überarbeite ich diesen text noch mal. ich habe immer noch das gefühl, viele punkte eigentlich nur umkreist zu haben. darum bin ich doppelt gespannt auf eure leseeindrücke und kommentare! vielleicht hilft mir das beim „weiterdenken“

21 Kommentare

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21 Antworten zu “Der Mythos (m)einer selbstbestimmten Geburt

  1. Danke für den Text. Ich habe ihn sehr gern gelesen, weil Du den Punkt „Selbstbestimmung“ unter der Geburt näher ausgeleuchtet hast. Meine Geburt mit Wehen verlief ganz anders, ich kam noch nichtmal zur Austreibungsphase, daher sind solche Details für mich immer erhellend.
    Mich macht Dein Bericht in Bezug auf die Definition von selbstgeboren.de aber erneut wütend, weil jede Hebamme doch solche Geburtsverläufe kennt – kennen muss! Warum wird eine natürliche Geburt ohne Interventionen als „Leistung“ dargestellt und nicht als Glücksfall?!?
    Und noch ein gute Punkt in Deinem Text: Warum wird die Verantwortung über den Geburtsverlauf (selbst von Hebammen wie im Fall selbstgeboren) auf die Gebärenden abgewälzt, wenn es doch die Ärzte, Hebammen etc. sind, die hier Entwicklungsbedarf haben?

  2. Sarah

    Also ich finde auch, dass die Selbstbestimmung unter der Geburt ziemlich relativ ist. Diese „Was-wäre-gewesen-wenn-ich-diesesoderjenesandersentschieden-hätte“-Gedanken hatte ich zugegebenermaßen das erste Mal nachdem diese ganze Selbstgeboren-Diskussion losgegangen ist. Als ich den Aufruf gelesen habe habe ich nämlich auch als erstes gedacht “ was für eine Unverschämtheit für alle Mütter mit Kaiserschnitt und Co.“ und dann in der Folge nochmal über mich selber nachgedacht. Wie das so war schön interventionslos im Geburtshaus. Ich bin erst nach stundenlangen Wehen ins GH gefahren weil meine Hebamme früher nicht konnte da sie noch eine andere Geburt betreut hat. Als ich endlich auf dem Weg dorthin war (wenn es nach mir gegangen wäre wär ich schon stundenlang dort gewesen) war ich der festen Überzeugung meine Hebamme vor Ort als allererstes anzuflehen doch mit mir ins Krankenhaus zu fahren und dann dort einen Kaiserschnitt oder zumindest eine PDA zu verlangen. Da sich im GH allerdings herausstellte dass der Muttermund schon komplett geöffnet war (mein zweitliebster Moment im Geburtserlebnis) war dann keine Verlegung ins KH nötig. Vieles an dieser ‚interventionslosen‘ Geburt war Zufall. Vielleicht hätte ich die Hebamme tatsächlich schon vor Stunden angefleht ins KH zu fahren wenn sie denn Zeit für mich gehabt hätte. Wenn ich die Geburt von Vornherein im KH geplant hätte, vielleicht hätte man mir da längst zu einer PDA geraten die ich dankend angenommen hätte. Oder vielleicht waren die Herztöne ja zwischendurch auch mal schlecht ohne dass ich das zu Hause gemerkt habe und es hätte im KH jemand „Kaiserschnitt“ geschrien (hätte ich natürlich sofort machen lassen zum Wohle des Kindes). Ziemlich viele Konjunktive – Ich denke, dass zu einer interventionslosen Geburt neben basalen körperlichen Voraussetzungen mit denen leider nicht jede werdende Mutter beschenkt wurde vor Allem auch eine gehörige Portion Glück und Zufall gehören. Selbstbestimmung unter Schmerzen und bei Sorge ums Kind? Naja.
    (und mal am Rande: eine Frau die das Kind 9 Monate ausgetragen hat und dann eventuell noch 1/5/10/20/30 Stunden Wehen hatte hat sowieso schon mehr als genug geleistet – auf das Rauspressen kam es mir dann auch nicht mehr an. Ich bin froh, dass es geklappt hat, aber die eigentliche ‚Arbeit‘ kam für mich davor, mir ist schleierhaft wie eine Hebamme (!) das vergessen kann)

  3. Sarah

    P.s. mit meinem Kommentar wollte ich auch Folgendes aus deinem Post bekräftigen: In dieser Ausnahmesituation gibt man sich meistens vertrauensvoll in die Hände von Hebammen und/oder Ärzten und was die nahelegen beeinflusst oft mehr den Geburtsverlauf als die ‚Meinung‘ der wehengeplagten Mutter. Ist mir grad beim durchlesen aufgefallen, dass das nicht ganz klar wird bei dem was ich geschrieben hab.

  4. Danke für Deinen Text! Das kann ich (fast) alles unterschreiben! Mich macht diese Debatte sehr wohl wütend, eben weil unterschwellig suggeriert wird, dass nur der natürliche Weg gut ist und damit schon Schuldgefühle bei (Erst-)Gebärenden vorprogrammiert sind. Keine Schwangere kann vorher sagen (insbesondere bei der ersten Geburt), wie sie sich unter der Geburt wirklich fühlt und was sie dann braucht.
    Besonders gut gefällt mir, dass Du schreibst: „selbstbestimmt kann auch das bestehen auf “eingriffen” sein. und ausschließlich den gebärenden zu suggerieren, sie seien für diese selbstbestimmung verantwortlich, entweder dadurch, dass sie sich den richtigen geburtsort, die richtige hebamme aussuchen oder “entspannt” sind, ist purer hohn und verkennt diesen ausnahmezustand.“
    Ich hatte zwei Notkaiserschnitte (nicht schön, aber ich habe dafür zwei gesunde Kinder ohne Behinderung zur Welt gebracht) und meine kleine Tochter kam als Dritte dann als geplanter Kasierschnitt zur Welt – ein rundum harmonisches Ereignis! Aber auch das war zum Großteil Glückssache und hing nicht nur von meiner inneren Einstellung sondern auch vom (in diesem Fall) tollen Personal ab.

  5. Claudia

    Danke danke danke für dieses Beitrag!! Meine Geburten waren (soweit ich das beeinflussen konnte) komplett selbstbestimmt. ICH habe komplett darüber entschieden was wann gemacht oder eben nicht gemacht wird aber es sind trotzdem Kaiserschnitte geworden, weil nämlich der Teil, der natürliche, gottgegebene (oder wie auch immer man es nennen will), der Teil, den ich also komplett nicht beeinflussen konnte, mir quasi einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Mein Becken ist zu schmal gewesen beim ersten Kind, es passte nicht durch, es rutschte nicht tief genug rein um auf den Muttermund drücken zu können. Nach über 30 Stunden Wehen gab es dann einen entspannten sekundären Kaiserschnitt. Und ich HABE mich schlecht gefühlt, als Versagerin. Ich habe ewig drüber nachgedacht ob ich noch mehr hätte tun können. Genau wegen solcher bescheuerten Ansichten, die da auch noch von einer Hebamme ins Internet geblasen werden.
    Und ja es macht mich wütend, auch wenn ich heute kein Problem mehr damit habe das beide Kinder Kaiserschnittgeburten waren. Das zweite übrigens ein furchtbar dramatischer Notkaiserschnitt ohne den weder ich noch das Kind heute noch am Leben wären und selbst mit Not-KS war es für uns beide reichlich knapp. DAS war auch eine wahnsinnig kraftvolle Geburt in meinen Augen, auch wenn ich nicht viel mehr getan habe als den RTW zu rufen und mich so gut wie möglich mit den gefühlt tausend Ärzten abzustimmen. ICH habe dort trotzdem noch bestimmt WAS genau gemacht werden soll und was nicht. Es war überwältigend, genau wie beim ersten Mal und genau wie jede Geburt einfach nur überwältigend ist.
    Was mich an der Aktion auch so stört ist das wieder die ganze Fokussierung nur auf dem Geburtsvorgang liegt. Als ob das das einzige wäre wofür Mütter und Hebammen zuständig sind. Gerade weil eben der Beruf der Hebamme gerade so bedroht ist ärgert mich das massiv, denn ganz ganz viele Leute begreifen nicht, wissen auch einfach gar nicht, das es eben nicht nur um den „Luxus“ einer Haus- oder Geburtshausgeburt geht, sondern vor allem um die Vor-und Nachsorge, die dann eben auch wegfällt. ICH will nicht 2 Tage nach der Geburt wegen jedem Mäusefurz in eine Gynpraxis fahren oder zum Kinderarzt. Meinen Gyn und den Kinderarzt kann ich auch nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, ansmsen oder anmailen – meine Hebamme schon.

    Sorry, ich bin abgeschweift aber es ist eben ein hochemotionales Thema.
    Ich stimme jedenfalls dir und auch den Kommentatorinnen vor mir zu, nicht wir Mütter sind die alleinverantwortlichen für eine selbstbestimmte Geburt, sondern die Fachleute drumrum. Statt uns zu verstehen zu geben das wir etwas nicht so machen wie sie es gern hätten, sollten sie uns Möglichkeiten aufzeigen und uns dann selbst entscheiden lassen. und das kann eben auch die Entscheidung für einen Kaiserschnitt sein, warum auch nicht verdammt! Ob ich nun 3 tage, 30 Stunden oder 30 Minuten für eine Geburt brauche, Mutter bin ich danach für den Rest meines Lebens und DAS ist es was wirklich zählt!

  6. Schnatterinchen

    Vielen Dank für deinen sehr persönlichen und mich sehr ansprechenden Text. Ich hatte eine „Traumgeburt“: ca. 12 Stunden mit allem drum und dran, davon nur vier Stunden im Geburtsthaus, wo mein Sohn in der Badewanne (war jetzt nicht explizit so geplant, fühlte sich dann aber sehr gut an) zur Welt kam. Alles schick, alles „selbstgeboren“. Aber selbstbestimmt?
    Was kann ich denn dafür oder dagegen, dass nun alles so schick verlief? Wenn die Wehen stärker oder schwächer gekommen wären, hätte ich das so bestimmt? Ich stimme dir voll und ganz zu, dass es wohl vermessen ist, einer Frau, die sich in diesem absoluten Ausnahmezustand befindet, auch noch die volle Verantwortung für das Geschehen zu überlassen.
    Die Hebamme fragte mich während der Geburt, ob es in Ordnung sei, wenn nun die Hebammenschülerin mit dazukäme (ich hatte vorher schon grundsätzlich zugestimmt) – ich weiß noch, dass ich nicht einen Moment darüber nachdachte, ob ich das nun okay finde oder nicht, sondern nur wollte, dass man mich nicht mit solchen Dingen belästigt, wo ich doch grad dabei bin, meinen Körper zerreißen zu lassen. Hätte mich irgendwer gefragt, ob noch ein paar Passanten zuschauen dürfen, ich hätte genauso ja gesagt – wahrscheinlich auch zu PDAs und wer weiß was, wenn es mir vorgeschlagen worden wäre.

    Um es kurz zu halten: Ich denke, du hast völlig recht damit, dass eine Frau nur die bestmögliche Vorbereitung schaffen und „ihr Team“ (Mann, Hebamme) auf bestimmte ihr wichtige Grundregeln einschwören kann – danach gibt sie schlicht durch die Umstände ein Stück der Selbstbestimmung ab – spätestens von einer Vollnarkotisierten werdenden Mutter bei einem Notfalleingriff wird niemand mehr ernsthaft „Selbstbestimmung“ verlangen wollen – hoffe ich.

  7. Anne

    Vielen Dank für den guten Text. Ich denke seit gestern auch viel an dem Thema herum. Tendenz in der Richtung deines Textes: es kommt am Ende nur auf das Gefühl der Frau an und eine selbstbestimmte Geburt ist jeder Frau zu wünschen, egal wo und wie. Aber der Weg dahin ist mir noch schleierhaft. die Erfahrungen sind so unterschiedlich wie die Frauen und eine wirklich selbst bestimmte Geburt so voraussetzungsreich. Ich habe zwei im nachhinein klassisch fremd bestimmte Geburten im KH erlebt und brauchte danach eine sehr selbst bestimmte Hausgeburt, die aber im KH auch ganz anders verlaufen wäre, weil ICH anders war. Alle die Fragen und Themen, die hier im Zuge der Debatte umkreist werden, gab es bei den ersten Geburten für mich nicht. Ich habe wie selbstverständlich meinen Verstand und Gefühl an der Pforte abgegeben und MICH ENTBINDEN lassen. Noch beim zweiten Kind habe ich mir von der Hebamme das T-Shirt, in dem ich meine erste Tochter geboren habe, entwenden lassen mit den Worten, ein Klinikhemd sei doch viel praktischer…Ich glaube, Frauen brauchen weise und feinfühlige andere Frauen um sich herum, die ihnen Kraft geben und sie stärken, die Verantwortung nicht abzugeben.

  8. sandra

    vielen Dank für diesen Text! Die Geburt meines Sohnes verlief und endete sehr ähnlich wie deine – dieser Tage sollte nun Kind 2 zur Welt kommen, und natürlich drehen sich alle meine Gedanken um dieses Thema… entsprechend fühle ich mich auch gerade nicht befähigt, meine Gedanken zum Thema sinnvoll zusammenzufassen – kann sein, dass ich diese in Kürze revidieren müsste. Aber mir gefällt die Art und Weise, wie du denkst, wie du den Begriff Selbstbestimmung definierst. Wenn ich daran zurück denke, dass ich mich an gewisse Teile (Stunden?) der Geburt nicht mal mehr richtig erinnere… zweifle ich auch, wieviel des Ablaufes durch mich selbst bestimmt war und auch „gut“ war. Und inwiefern im Vorab gefasste Vorsätze oder Ideen auch tatsächlich umgesetzt werden sollten – denn ich zumindest hab meine Meinung während der Geburt ein paar Mal revidiert…

  9. Schon allein die Tatsache, dass werdene Mütter vor der Geburt Unmengen an Ratgeber verschlingen und ALLES (gute und schlechte Geburtsberichte in erster Linie) in sich aufsaugen, ist das eigentliche Gebären doch schon gar nicht mehr selbstbestimmt. Warum müssen uns Bücher aufklären, was unsere Intuition und unser Körper nicht allein leisten könnte? Wir lassen uns beeinflussen. Und wir denken – viel zu viel. Ich seh das selber an mir. Ich hatte eine traumhafte Geburt und das Glück einer erfahrenen Hebamme, die mich über den Geburtsprozess aufgeklärt hat. Aber massive Stillprobleme. Noch heute, nach knapp 20 Monaten „knabber“ ich daran. Ich wollte es aber unbedingt! Hat nicht geklappt und es fällt mir schwer, es zu akzeptieren. Ich fühlte mich fremdbestimmt, aber nicht von meinem Kinder, sondern von der Meinung „Jede Frau kann stillen!“.

  10. Danke für deine Erlebnisse! Und Respekt, dass du dich noch so klar erinnerst, das ist bei mir nicht der Fall. Ich habe in einem Krankenhaus mit Hebammen-Kreißsaal entbunde, also eine so genannte Hebammen-geleitete Geburt. Ärztliche Intervention nur bei Komplikationen – das bedeutet, auch Schmerzmittel etc. Ich hatte eine vierstündige Austreibungsphase, was ich auch im Nachhinein echt krass finde. Als Komplikation wurde das nicht betrachtet, so dass ich irgendwann selber nach Saugglocke, Zange, Kaiserschnitt rief, was – klar – ignoriert wurde. Aber so richtig selbstbestimmt fühlte sich das in dem Moment auch nicht an. Egal, wo man gebärt, man ist immer einer Ideologie oder einer Politik, zumindest einem Leitbild ausgesetzt, und man ist dem Personal einem Stück weit ausgeliefert. Da aber eine Hierarchie draus zu machen – genauso wie mit dem Stillen, das ist ein guter Kommentar von MamaseinFraubleiben – warum? Es ist so ermüdend.

  11. carolin

    Danke für deine Offenheit und dafür dass du so viele meiner Gefühle auf den Punkt bringst. Ich bin quasi haarscharf mit Saugglocke und Pressdruck von oben am Kaiserschnitt vorbeigeschrammt.
    Am mächtigsten ist auch nach 1,5 Jahren noch das Gefühl übergangen zu werden, dem ctg untergeordnet zu sein und an ein Bett gefesselt zu werden in das man nicht möchte. Ich habe aus meiner ersten Geburt viel gelernt. Sowohl über meine unglaubliche Stärke, als auch über meine Schwäche gegenüber den Autoritäten. Beides wird mich hoffentlich bei einer weiteren Geburt davor bewahren im nachhinein so viele offene Frage und so viel Unverständnis zu haben zu einem Ereignis in dessen Mitte man ja eigentlich steht. Auch den Punkt der nachwehen habe ich ähnlich erlebt, ich war wohl auch verkrampft und dass das dann mit den Stillen nicht klappt…. Geschenkt!
    Selbstbestimmung, da kann ich mich nur anschließen, ist so viel mehr als das bloße Lossagen von medizinischen Eingriffen in einen natürlichen Vorgang.

    • „Selbstbestimmung, da kann ich mich nur anschließen, ist so viel mehr als das bloße Lossagen von medizinischen Eingriffen in einen natürlichen Vorgang.“ – das hast du gut auf den punkt gebracht finde ich! danke

  12. zweibeinerin

    Hallo meine Liebe,
    ich habe deinen Text heute erst entdeckt und ich muss unbedingt auch etwas dazu schreiben. Ich gebe dir recht, dass die Selbstbestimmtheit sehr relativ ist und ich wollte mal die Frage in den Raum werfen, wie es sich, gerade vor dem Hintergrund des von dir angesprochenen Buchprojekts, mit der Selbstbestimmtheit in die andere Richtung verhält. Was wenn frau pda und/oder Kaiserschnitt wünscht und ihr genau das verweigert wird?
    Dazu möchte ich dir gern meine Geschichte erzählen: vor fast fünf Jahren habe ich unseren Sohn im Krankenhaus per Einleitung bekommen. Diese war nötig geworden, weil ich unter einer beginnenden Präeklampsie litt. Ich bekam dafür Tabletten an den Muttermund gelegt. Nach zwei Tagen Tabletten legen und mäßigen Wehen, die jeden Abend verschwanden, nachdem die Wirkung der letzten Tablette vorbei war, ging es dann endlich los. Die Fruchtblase platzte und ich bekam richtig ordentliche Wehen. In dem Krankenhaus, in dem ich eh schon lag, hatte mittlerweile die Nachtschicht den Dienst übernommen. Zwei Hebammen kümmerten sich um fünf Frauen, die alle gleichzeitig gebären wollten. Aber bei mir sollte es eh noch dauern, sagte mir S., die Hebamme, die mich untersucht hatte. Ich wurde ans CTG angeschlossen und lag auf einer total unbequemen Liege im Badezimmer, alles andere war belegt. Die Wehen wurden ganz schnell völlig unerträglich stark und ich hatte keine Pausen mehr dazwischen, ich bekam Herzrasen, Atemnot und ich glaube, ich verlor kurzzeitig sogar das Bewusstsein. Klingeln konnte ich nicht, denn die Klingel lag auf der anderen Seite des Raumes. Irgendwann kamen Leute zu mir, meine Hebamme, die irgendwas von „Armes Kind“ murmelte und zwei Ärztinnen, die mir irgendwas spritzten, Wehenhämmer, wie ich nachher erfuhr. Eine Ärztin erklärte mir dann, als ich wieder halbwegs ansprechbar war, dass ich die Nacht im Kreissaal verbringen werde, unter Dauer-CTG und Wehenhämmern, weil das Baby die starken Wehen nicht gut verkraftet hatte. Am nächsten Morgen durfte ich in mein Zimmer, mich kurz abduschen und meinen Mann anrufen (das hatte man mir in der Nacht auch verweigert). Frühstücken dürfte ich nicht. Um die Geschichte kurz zu machen: da die Fruchtblase ja nun einmal offen war und die Wehen weg, brauchte ich neue. Ich bekam einen Wehentropf und verbrachte den gesammten nächsten Tag in verschiedenen Liegepositionen im Kreissaal und hatte einfach nur a) Schmerzen und b) Panik, dass ich nochmal so schlimme Schmerzen bekomme, wie nachts zuvor. Damals dachte ich nämlich, dass es so schlimm sein muss, wenn man ein Kind kriegt. Erst viel später habe ich erfahren, dass das, was ich erlebt hattte, eine Überstimmulanz war. Ich bat irgendwann um eine PDA, weil ich einfach am Ende war. Diese konnte ich aber nicht bekommen, weil meine Blutwerte zu schlecht waren (durch die zu lange geöffnete Fruchtblase waren Bakterien aufgestiegen). Da ich körperlich am Ende war (und ja auch nichts Essen und Trinken durfte, für den Fall eines Not-Kaiserschnittes), bat ich darum, den Kaiserschnitt sofort durchzuführen. Ich konnte nicht mehr – und ja, ich war schlicht und einfach traumatisiert von den Schmerzen der Nacht. Man verweigerte mir diesen. Beim ersten Mal mit einem lieben Lächeln und dem Hinweis auf die viele Kraft, die ich doch noch hätte und beim zweiten Mal sehr unhöflich mit dem Kommentar, man könne sich jetzt nunmal keinen Kaiserschnitt aus den Rippen schneiden. Im Nachhinein bin ich sicher, dass genau das das Problem war: sie hatten schlicht und ergreifend nicht die personellen Kapazitäten in diesem Moment. Ich bekam unseren Sohn nach über 18 fürchterlichen Stunden dann spontan. Ich kann bis heute nicht sagen, ob das gut oder schlecht war. Auf alle Fälle war es ein sehr frustrierendes und traumatisierendes Geburtserlebnis und wegen der aufgestiegenen Bakterien war er krank, als er zur Welt kam und musste noch eine Woche stationär behandelt werden. Auch das war traumatisierend und ich habe sehr lange geknabbert. Verstanden hat mich zuerst keiner, immerhin war mir doch der „böse“ Kaiserschnitt erspart geblieben.
    Versöhnt hat mich damit übrigens ein bisschen die zweite Geburt. Auch diese wurde eingeleitet (aber in einem anderen Krankenhaus), wegen der gleichen Geschichte. Aber es lief alles ganz anders und ich hatte immer das Gefühl Herrin der Lage zu sein.
    Ich wünsche dir auch eine versöhnliche nächste Geburt und weiterhin alles Gute.

    • „Was wenn frau pda und/oder Kaiserschnitt wünscht und ihr genau das verweigert wird?“ – ja, genau das ist ja meine frage zum thema selbstbestimmtheit. ich finde das wirklich sehr kompliziert und komplex. mein beispiel war ja „nur“ einlauf und bürokratie. und eigentlich wassergeburt. ich weiß nicht, wie sich das dilemma lösen lässt. ich hab den kaiserschnitt unter den wehen abgenickt, wäre aber lieber ermutigt worden, es noch weiter zu probieren. eine hebamme, die schon die schwangerenvorsorge mitmacht und dann bei der geburt auch dabei ist, ist bestimmt ein guter anfang (deshalb: JA hebammenproteste unterstützen), aber vielleicht ist es wirklich dieser mythos von der natürlichen geburt, der raus muss. ohne dass deswegen die kaiserschnittrate ansteigt. verstehst du, was ich meine? das eine tun und das andere nicht lassen…ach, ich schreibe wirr…aber danke für deinen kommentar! ich kann es sehr gut nachvollziehen…

  13. zweibeinerin

    Oh – ich sollte Texte lesen, bevor ich sie abschicke. Ich kaufe ein e für die Wehenhämmer 😉

  14. Pauline

    Danke für den Text, der mich sehr angesprochen hat. Bei der Geburt meiner Tochter wollten mir zwei Hebammen die PDA verweigern (gegen die laut Arzt nichts sprach). Ich kam mir (u.a. deswegen) regelrecht entmündigt vor.

  15. Pingback: Die ersten Tage… | glücklich scheitern

  16. Nana Du

    Leider habe ich den Eindruck, dass sich dieser Thread darum dreht, ob die Gebärende es selbst in der Hand hat, komplett selbstbestimmt unter der Geburt zu sein. Ich glaube, dass jeder Frau klar ist, die in einem Geburtsvorbereitungskurs war, dass genau das nicht der Fall sein kann. Geburt ist ein Prozess, er unterliegt vielfachen physiologischen Einflüssen und vor allem ist er extrem störanfällig, um aus dem Ruder, sprich der Physiologie zu laufen. Beispiele in deinem Blog-Beitrag gibt es genug: Dauer-CTG im Liegen macht nachweislich häufig schlechte Herztöne und stört den Geburtsprozess, der sich am besten nunmal mit aufrechter Lage bzw. frei gewählter Geburtsposition bewältigen lässt. Dann das ständige Abtasten, das schmerzhaft ist und den normalen Prozess stört. Das Übergehen deines Wannen-Wunsches, warum nur? Warum bei starken Wehen auch noch ein Wehen-Verstärker gegeben wird, warum? Diese machen nachweislich sehr schmerzhafte Wehen, mit denen du dann unnötig zu kämpfen hattest. Begünstigt natürlich durch den vorsorglichen Venenzugang, auch das eine Intervention, die völlig blödsinnig ist, keine wissenschaftliche Evidenz für ein positives Ergebnis hat, im Gegenteil, er erleichtert unnötige Wehentröpfe, denn der Zugang liegt ja schonmal, wie praktisch. Und dann noch garniert am Schluss mit der Ungeduld der Ärztin. Bingo. Fertig ist der Kaiserschnitt. Und das ist nicht deine Schuld.

    Wie es auch anders ginge? Das wird beschrieben im Expertenstandard Förderung der physiologischen Geburt, jüngst verabschiedet vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege und Verbund Hebammenforschung an der Hochschule Osnabrück.

    Mein Fazit nach sehr viel Vorab-Information vor meinen drei Geburten ist: Leider ist die klinische deutsche Geburtshilfe nicht so weit, dass dieser Standard auch nur annähernd umgesetzt wird. Daher gibt es derzeit für normale Schwangerschaftsverläufe nur eine Alternative, wenn man halbwegs selbstbestimmt sein möchte: 1:1-Hebammenbegleitung außerklinisch, d.h. im Geburtshaus oder zu Hause. Außerklinisch tätige Hebammen haben ein ureigenes Interesse, die normale Geburt möglichst wenig zu stören, denn sonst gibt es Komplikationen. Eine relativ niedrige Verlegungsrate von 15 % und eine sehr gut dokumentierte Qualitätssicherung (QUAG e.V.) dokumentiert, dass dies eine sehr sichere Wahl des Geburtsortes ist.

    Ich habe das Glück, drei Hausgeburten erlebt haben zu dürfen. Ich weiß, dass jede dieser Geburten im hiesigen Land-Krankenhaus im Kaiserschnitt geendet hätte. Es braucht sehr kompetente und erfahrene Hebammen, um genau das nicht zu befördern, sondern normale Verläufe zu unterstützen. Da ich vorher schon genug einschlägige Innenansichten von Krankenhäusern hatte, habe ich diesen Weg für mich gewählt. Den Ärzten laste ich an, dass sie nicht umfassend und ergebnisoffen über Geburtsorte informieren und beraten. Und damit Frauen in die Lage versetzen, eine wirklich informierte Entscheidung zu treffen.

  17. Pingback: Kampf gegen die Schreibblockade, Muddiedition | franziskript.de

  18. Super geschrieben! Ich hab mich in dem Text sowas von wieder gefunden obwohl die Geburt unserer Tochter gerade kurz bevor steht. Bin heute in SSW 39+4 und ich zähle mich auch zu den Schwangeren die sich auf die Geburt gut vorbereiten. Meine Klinik machte zum Glück bereits in der Woche 37 eine Geburtsvorstellung was mir ermöglichte Gespräche mit dem Anästhesisten für eine evtl. PDA zu führen. Alles liegt nun unterschrieben bei meinem Mutterpass. Für den Fall der Fälle, denn ich wollte mir selbst kein Korsett anziehen aus verbindlichen Vorstellngen über die Geburt. Ich möchte aber wissen, dass ich alles machen kann, wenn mir danach ist. (PDA, Wanne, Hocker, Wunschkaiserschnitt, falls ich es so will)

  19. Maren

    Vielen Dank für diesen Post! Auch mir spricht er aus der Seele. Das Wort selbstbestimmt finde ich in so einer Ausnahmesituation wirklich auch unheimlich schwierig. Wie soll man das Selbstbewusstsein haben, besser bestimmen zu können, was gut für das Baby ist, wenn man Hebammen und Ärzten gegenüber steht, die tausendmal soviel Erfahrung haben, v.a. wenn man Erstgebärende ist? Ich hatte mir vorher wenig Gedanken gemacht, wollte grundsätzlich alles natürlich, weil ich recht gut mit Schmerzen klar komme und da keine große Angst vor hatte, aber es war klar, dass ich natürlich alles machen würde was mir zum Wohle des Kindes empfohlen werden würde. Ich ließ es also auf mich zukommen, war super entspannt. Fing sich gut an mit Blasensprung und Wehen und Muttermundöffnung…dann schlechte Herztöne, 3 mal Mikroblutuntersuchung und nach dem 3. Mal Entscheidung zum Kaiserschnitt. Fand ich kacke. Was mich im Nachhinein am meisten daran fertig macht: keine Zeit zum Nachdenken, was man will in dem Moment und vor allem was noch möglich ist, und keine Ahnung warum. Welchen Grund es für die schlechten Herztöne gab…hat man auch im Nachhinein nicht rausgefunden anscheinend. Naja, letztlich bleibt bei all dem Wunsch nach Selbstbestimmung doch nix anderes übrig als auf erfahrene Hebammen zu hören, die die Situation hoffentlich richtig einschätzen.

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