Feminismus und Mutterschaft 9: Für eine Gesellschaft, in der Väter so sehr Elternteil sind wie Mütter

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Katja – bloggt als vitalinsights auf lebenswichtigeerkenntnisse.com

 

Hast Du (eigene, adoptierte, zu pflegende…) Kind(er), möchtest Du welche, hast Du Dich bewusst dafür/dagegen entschieden, welche Voraussetzungen bräuchtest Du um Kinder bekommen zu können/wollen?

Mein erstes Kind kommt planmäßig im Dezember zur Welt; dazu gibt es schon die Tochter meines Freundes – zweieinhalb und super. Kinder wollte ich tatsächlich immer, zumindest war das immer Teil der vagen Zukunftsvorstellungen. So ganz konkrete Pläne wiederum hatte ich in der Hinsicht nicht so sehr, auch weil Freiberuflertum und Finanznöte, tausend Ideen und Projekte, eine Trennung nach sehr langer Beziehung, und dann die Patchworkkomplikationen nach neuem Verlieben nie die Ruhe gebracht hatten, in der man sich umguckt und denkt: So. Erst mal alles erledigt. Dann kann’s ja losgehen. Aber vielleicht existiert dieser Moment auch nur in unrealistischen Wunschträumen. – In unserem Fall haben wir zumindest darüber gesprochen und sind übereingekommen, dass wir mit einer Schwangerschaft ‚irgendwann im Lauf des nächsten Jahres’ schon einverstanden und auch froh wären. Dann ging es sehr hopplahopp.

Dass es jetzt so ist, finde ich super und freue mich sehr. Irgendwie auch darüber, dass es alles anders gekommen ist als ich mir hätte vorstellen können. Die wenigsten malen sich ja in Pubertätsfantasien eine Patchworkfamilie aus, noch dazu eine nicht ganz unkomplizierte mit relativ hohem Konfliktpotenzial. Und ich bin sicher, es wird eine ordentliche Herausforderung, und es war bestimmt auch keine astreine Vernunftentscheidung, auch was die finanzielle Situation betrifft. Sicherheit ist was anderes. Aber mit den beiden – Freund und Tochter – stimmt es auf der emotionalen Ebene so sehr, dass ich zuversichtlich bin, das gemeinsam wuppen zu können. Also: Die Voraussetzungen, von denen ich dachte, dass ich sie gern erfüllt sehen würde, um Kinder zu bekommen, sind auf der Harte-Fakten-Ebene nicht besonders umfassend gegeben. Aber entweder macht man es wohl irgendwann, oder halt nicht.

 

Spielt der leibliche Vater eine Rolle? Oder anders: welche Rolle spielt er (für Dich/für die Kinder)?

Große Rolle: seine Tochter ist die Hälfte der Zeit bei ihm, demnächst uns, und das Verhältnis der beiden ist eng und liebevoll. Ich würde mich freuen, wenn das bei Kind 2 ähnlich wäre. Für mich ist er Geliebter und Partner; es gibt noch reichlich zusammenzuraufen, gerade jetzt, wo sich die Dinge verändern – wir ziehen erst jetzt in eine gemeinsame Wohnung; das Kind ist unterwegs; beruflich ist es öfter mal eine Zitterpartie -, und wir rasseln nicht selten aneinander. Aber tief drin wollen wir, glaube ich, schon noch viel Zeit miteinander verbringen, und das mit möglichst viel Solidarität und Spaß an der Sache.

 

Teilst Du Dir die Sorgearbeit fürs Kind mit jemandem? Wie? Und wie wäre es Dir am Liebsten?

Ja, mein Freund und ich werden das sicher gemeinsam machen. Das ist auch meine Lieblingslösung. Für seine Tochter ist er naturgemäß im Moment die Hauptbezugsperson, auch wenn ich Teil der Sache bin. Ich bin gespannt, wie sich das auch auf der Seite mit der Zeit entwickelt. Wichtig wäre mir, dass es nicht nur darum geht, wer die Kinder nimmt, damit der andere Freiraum hat, seinen Kram zu machen – das natürlich auch! Aber dass es eben auch das tatsächliche Teilen gibt; die Zeit, die alle zusammen oder auch wir als Paar verbringen, und in der man sich gegenseitig erlebt. Eine wesentliche Rolle werden bestimmt auch meine Freunde spielen. Das ist ein fantastischer Haufen; ein Netz, in dem sich alle aufeinander verlassen können. Ich glaube, das ist unschätzbar wertvoll und wichtig, um nicht durchzudrehen.

 

Wenn Du in einer Partnerschaft lebst: Wie teilst Du Dir Lohn- und Sorgearbeit? Gab es dazu “Verhandlungen”? Was waren die Gründe für Eure Arbeitsteilung?

Ich bin gespannt, wie es sich letztlich genau gestalten wird. In den ersten zwanzig Minuten nach dem positiven Schwangerschaftstest haben wir beim Kaffee die grundlegenden Fragen auf den Tisch geschmissen und die meisten auch gleich beantwortet: welcher Nachname, werden wir zusammenziehen, wer nimmt wie viel Elterngeldmonate – und da geraten wir aber ins Schwimmen. Zwei Selbständige, das ist eine wacklige Sache, und bei meinem Freund, der bei seinem ersten Kind noch ganz selbstverständlich die Hälfte der Zeit genommen hat, und der sicher auch nicht der klassische Ernährervatertyp ist, habe ich unmittelbar miterlebt, wie unfassbar hart es war, den Betrieb danach wieder aufzubauen, zumal bei ihm als Handwerker die physische Präsenz im Laden entscheidender ist als bei mir, die ich das allermeiste vom Rechner aus mache. Ich habe kein Interesse daran, ihn noch mal in so eine Situation zu bringen – aber natürlich auch nicht, selbst reinzugeraten. Am Ende wird man’s wohl sehen müssen: wir werden uns schon viel teilen, und es wird sicher nicht das 12+2-Modell, sondern etwas gleichmäßiger verteilt, aber viel wird davon abhängen, wer wann wie viele Aufträge reinbekommt, wie viel wir damit erwirtschaften können, und wann es bei wem ruhiger zugeht. Ich nehme an, wir werden grob von Monat zu Monat schauen, das alles idealerweise besser kommunizieren und vorbereiten als bei seinem ersten Mal, und für den jeweiligen Elterngeldbezieher Raum für Dinge wie Akquise schaffen, damit es hinterher wieder Anknüpfungspunkte gibt, und keiner von uns ganz rausfliegt. Längerfristig werden wir sicher beide arbeiten und beide für die Kinder da sein wollen. Und wahrscheinlich auch da immer wieder mal sprechen und verhandeln müssen.

 

Was bedeutet für Dich Mutterschaft? Steht diese Bedeutung für Dich in einem Konflikt zu Deinem Feminismus-Verständnis?

Erst mal bedeutet es für mich, eine unauflösbare und lebenslange Bindung zu einem anderen Menschen einzugehen, für ihn Verantwortung zu tragen, und halt alle Freuden und Konflikte, die damit einhergehen. Dass damit auch Kompromisse kommen – finanziell, partnerschaftlich, beruflich etc. – und man nicht unbedingt ein lupenreines Egoding durchziehen kann, steht für mich nicht unbedingt im Widerspruch zu irgendeinem Feminismusverständnis, sondern höchstens im Widerspruch zu Illusionen, die man sich in einem Optimierungswahn darüber macht, was in 24 Stunden so zu schaffen ist. Dass es darüber hinaus Aspekte von Mutterschaft gibt, die unglaublich ideologisch aufgeladen diskutiert werden – Stillen, „Fremdbetreuung“, etc. -, ist natürlich wahr, aber ich hoffe, dass ich mich davon einigermaßen freihalten und nach jeweils meinem Gewissen entscheiden kann. Wobei natürlich die Bedürfnisse des Kindes maßgeblich sind, aber eben auch meine und die meines Partners eine Rolle spielen.

 

Was braucht es Deiner Meinung nach, um feministische Mutterschaft zu leben? Welche Rahmenbedingungen bräuchtest Du, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, um Deine Vision vom “guten Mutter- und Feministin-SEin” leben zu können? 

Ich glaube, feministische/emanzipatorische Werte oder eine Idee von Unabhängigkeit, von Gleichberechtigung und derlei kann man weitergeben und braucht dafür gar nichts weiter. Wirtschaftlich und gesellschaftlich ist es schon anders, was die konkrete Organisation betrifft. Dass Väter, die eine Auszeit nehmen, noch zu oft verständnislos angeguckt werden, ist blöd; dass das Elterngeld für Selbständige so blöd geregelt ist, auch – maßgeblich ist beispielsweise nicht das Einkommen der 12 Monate vor Geburt des Kindes, sondern das letzte abgeschlossene Kalenderjahr, also für ein Ende Dezember 2014 geborenes Kind das Jahr 2013, in dem man noch nicht im Traum dran gedacht hat. Dazu kommen verschiedene andere Fallen, wo man schnell durch verschiedene Raster fällt, so dass ich schon fast wieder denke: ach egal, ich werde einfach bis zum Schluss arbeiten und dann so bald wie möglich wieder, und halt keine Pause machen, weil’s sich nicht finanzieren lässt. Und ich bin sehr gespannt, ob ich mich da nicht maßlos überschätze. Das könnte wirklich besser sein, hat aber nicht unbedingt mit Feminismus zu tun, sondern mit dem Beschäftigungsmodell. Was ich für eine Verbesserung halte, was die Gleichstellung betrifft, ist das neue Elterngeldmodell, nach dem beide Eltern Teilzeit arbeiten können. Leider trifft auch das zeitlich noch nicht auf uns zu.

Meine Hauptwünsche wären sicher erstens eine insgesamt gerechtere Verteilung des Einkommens auf Männer und Frauen, denn die Entscheidung, wer länger aussetzt, fällt ja oft genug mit dem Einkommen, und da stehen die Frauen oft schlechter da; zweitens eine gesellschaftliche Normalität, in der Väter so sehr Elternteil sind wie Mütter; und drittens – das ist aber zugegebenermaßen nicht zu Ende gedacht – ein Überdenken der Gesetzgebung zu Beruf, Mutterschaft und so weiter. Ich hatte den Eindruck, dass all der gut gemeinte Mutterschutz mit den entsprechenden Rechten oft dazu führt, dass Arbeitgeber regelrecht Angst vor Schwangeren oder Müttern im eigenen Betrieb haben, und sie dann lieber gar nicht erst einstellen, Verträge auslaufen lassen, etc. Das kann’s ja auch nicht sein. Ich habe jetzt so oft von qualifizierten, motivierten und guten Frauen gehört, die mit Bekanntgabe der Schwangerschaft fallen gelassen wurden, dass es eigentlich dazu einlädt, erst dann schwanger zu werden, wenn man gerade den Fünfjahresvertrag unterschrieben hat und es beruflich gerade bestens läuft. Ich weiß nicht, wie man das lösen soll. Ich fände es schön, wenn sich mittelfristig eine Normalität etablieren würde, in der alle Leute familienverträgliche Arbeitszeiten haben, so dass Leute, die eine Familie haben, nicht als halbe Kräfte gelten, weil sie nicht immer und immer verfügbar sind.

 

Was bedeutet Dein Feministin-Sein für die Erziehung Deines_r Kind_er? (z.B. Vorbilder suchen, was für Stereotype ans Kind herangetragen werden, Kleider-/Spielzeugwahl)

Es bedeutet hoffentlich in erster Linie Gelassenheit. Ich habe nicht vor, einer Tochter Rosa zu verbieten oder aufzuschwätzen, und wenn ein Sohn ein Blümchenkleid anziehen möchte, bitteschön. Ansonsten finde ich, so ein bisschen Zugehörigkeitsgefühl zum einen oder anderen Geschlecht schadet per se erst mal nicht. Was ich wirklich gern vermeiden will ist allerdings, dass ein Mädchen den Eindruck hat, in bestimmten Disziplinen nicht gut sein zu können, weil es ein Mädchen ist. Die Tochter meines Freundes hat Werkbank und Babypuppe und spielt mit beidem, und ich hoffe, es geht so weiter. Was ich außerdem gern vermeiden will, zumal ich selbst darunter zu leiden hatte, ist dieser immense Druck, was Äußerlichkeiten und Sexiness betrifft, der ab einem bestimmten Alter auf Mädchen ausgeübt wird. Ich weiß nicht, ob das gelingen kann, weil es so allgegenwärtig ist. Aber ich hoffe, dass Jungs wie Mädchen halbwegs unabhängige und freie Personen werden können, die sich auch in der Lage fühlen zu rebellieren, wenn sie etwas als ungesund oder unpassend empfinden.

 

Hast Du andere Mütter in Deinem Umfeld, die was mit Feminismus anfangen können? Wo holst Du Dir Unterstützung?

 

Mit den wenigsten Müttern in meinem Umfeld tausche ich mich auf theoretischer Ebene über Feminismus aus, aber die allermeisten leben einen den Umständen entsprechend gleichberechtigten Entwurf, haben eigene Interessen und Ziele und verfolgen diese auch nach der Niederkunft weiter.

 

Welche Bedeutung hat Erwerbsarbeit für Dich?

Ist wichtig. Für die Finanzen, für die Unabhängigkeit, fürs Ego. Wenn es beruflich gerade nicht gut läuft, ist die Versuchung groß, sich nun alternativ in Schwanger- und Mutterschaft auf Sinnsuche zu begeben. Auch deshalb habe ich, glaube ich, gerade das riesige Bedürfnis, noch mal so viel wie möglich in die Wege zu leiten, was meinen Beruf betrifft. Im Muttersein aufgehen möchte ich nämlich nicht, weil ich schon ahne, dass es weder mich noch mein Kind besonders froh machen wird, wenn all mein Ehrgeiz in diese Sache fließt. Abgesehen davon arbeite ich einfach gerne und möchte aus diesem Flow nicht rausfliegen.

 

Welche Konflikte/Spannungen spürst Du zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und Deinem Verständnis von Feminismus und Mutterschaft?

Gesellschaftlich erst mal keine großen, oder keine, denen ich mich so aussetzen möchte. Was Politik und Fiskus betrifft, spannt es schon eher. Ich bin bestimmt finanziell weniger erfolgreich als erwünscht und bekomme entsprechend keine nennenswerte Unterstützung. Überhaupt fühle ich mich als Freiberuflerin mit diesen sehr grobschlächtigen Rastern nicht wirklich vertreten oder unterstützt. Das ist wie bei der Altersvorsorge. Am Ende führt das zu einer Entfremdung – die Haltung zum Staat wird halt zu einem diffusen ‚Ich lass euch in Ruhe, also lasst mich bitte auch in Ruhe, und wir haben einfach nichts miteinander zu tun’. Ich weiß nicht, ob das im allgemeinen Interesse ist.

 

Ein Kommentar

Eingeordnet unter interview feminismus und mutterschaft

Eine Antwort zu “Feminismus und Mutterschaft 9: Für eine Gesellschaft, in der Väter so sehr Elternteil sind wie Mütter

  1. Hat dies auf lebenswichtige erkenntnisse rebloggt und kommentierte:
    Der schöne Blog mit dem tollen Namen glücklich scheitern hat sich mal ausführlich mit dem Themenkomplex Feminismus und Mutterschaft befasst – ganz schön erhellend. Aus gegebenem Anlass bin ich Teil der Sache mit diesem Interview und freu mich drüber.

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