Primzahlen zählen

In den letzten Wochen kochte eine Welle an Empörung hoch. Ausgelöst durch einen Zeitungsbeitrag, in dem jemand die Tatsache rechtfertigte, sein Kind ab und zu doch mal auf „witzige“ Art versohlen oder am Ohr ziehen zu dürfen. Ich erspare Euch die Links, vermutlich wisst ihr um welche Zeitung es geht.

Gewalt an Kindern geht gar nicht. Ich frage mich bei meinen Versuchen, aus meinen Kindern so was wie selbstbewusste aber (ist das überhaupt ein aber? also: UND) rücksichtsvolle (Mit)Menschen zu machen oft, wo Gewalt in so einer Abhängigkeitsbeziehung wie der zwischen Eltern (oder: Erziehungsberechtigten und anderen „Aufsichtspersonen“) und Kindern beginnt. Boah, das ist anstrengend. Ich erinnere mich da an Situationen…Zähne putzen zum Beispiel. Klar ist: muss sein! Also gaaaanz wenige Ausnahmen lass ich gelten (wir waren lange unterwegs, kommen spät abends erst zurück, Kind schon eingeschlafen. Dann streite ich nicht ums Zähne putzen). Also natürlich schlage ich mein Kind nicht, das wollte ich hier nicht suggerieren. Ich meine, welche Formen von „Argumentieren“ und Sanktionieren gehen noch als „das Beste fürs Kind“ durch und welche sind eigentlich schon nicht mehr ok. Angst machen? (Wenn Du nicht putzt, fallen Dir die Zähne aus!) Überhaupt dieses, „Wenn Du nicht…dann…“ Aber ehrlich, manchmal fällt mir auch nix anderes an.

Mir persönlich machen andere Situationen Sorgen. Meine Persönlichkeit hat nämlich zwei echte Schwachstellen, wenn es um Kinder/Babies geht: Ich bin extrem empfindlich was akustische Beschallung angeht (jammern, ningeln, aber auch 100mal Warum?) und die Unterschreitung meines Tanzbereiches: also diese körperliche Dauer-In-Beschlagnahme. Das Baby versucht zum Beispiel ständig in mein Gesicht zu kneifen. Minime springt mir gerne mal unangekündigt auf den Rücken oder zieht mich am Arm. Das Baby jammert. Oft kommt ja beides in Kombination. Ich bin nicht nur „genervt“, ich merke richtig, wie mein Blutdruck steigt, mir warm wird und sich alles verspannt. Tagsüber lässt es sich ja noch oft aus der Situation gehen: Mal kurz eine Ansage machen, das jetzt mal Ruhe ist (beim Kleinkind) und das Baby ins Bettchen legen, durchatmen. Weiter.

Aber nachts…wenn das Baby mal wieder zwei Stunden „wach“ ist (denn wach ist das falsche Wort. Nach 30 Minuten babbeln und Händchen bestaunen ist es meistens wieder müde, findet aber nicht in den Schlaf), mein Rückenmark dagegen noch auf Tiefschlaf steht. Der Mann beruflich unterwegs, das Baby weint und kneift mir in die Nase oder kratzt. Mit seinem Gejanke könnte es Minime wecken (falls der nicht schon neben mir steht und fragt, warum das Baby weint -.- ). Wie gesagt, das löst in mir körperliche Reaktionen aus, die ich nur schwer ignorieren kann. Mit der Zeit habe ich eine „Lösung“ für mich gefunden: Sowas wie „bis 100 zählen“ hat bei mir nie geholfen um mich runter zu fahren. Zu wenig Anstrengung und Ablenkung. Aber Primzahlen zählen, das geht. Fordert ein wenig Konzentration, ich kann die Geräuschkulisse ein wenig ausblenden (wenn ich mich sehr anstrenge) und merke, wie Blutdruck und Hitze ein wenig sinken.

Ich hoffe, ich kann auch für die Tageslicht-Momente eine Lösung finden. Sonst kann ich mich mit Fug und Recht als die ungeduldigste Mutter der Welt bezeichnen.

Was hilft Euch in diesen Situationen? Habt ihr andere Situationen, die Euch herausfordern? Macht sich das körperlich bemerkbar? Mich interessieren Eure Strategien und „Stresssituationen“!

6 Kommentare

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6 Antworten zu “Primzahlen zählen

  1. Ich bin ungeduldig. Ich brauche Schlaf (ich hab einen in Stein gemeißelten Biorhythmus). Ich kann unter Stress nicht klar denken.
    Aber: ich habe zwei Kleinkinder (1,5 und 2,5), die all diese Punkte immer wieder in Schwingung versetzen. Ich kann das nicht verhindern, außer durch Fremdbetreuung. Dass ist das einzige, was mir hilft, meinen natürlichen Nervenschutzmantel einigermaßen zu nullen und nicht Stress auf Stress aufzubauen. Krabbelstube und regelmäßige Besuche bei Oma und Opa (aber bitte ohne mich…).

    Wenn Fremdbetreuung für eine gewisse Zeit am Tag aber nicht möglich ist, weil Kita zu, Großeltern beschäftigt, Kinder krank, dann hilft nur: nichts wollen. Zen sein. Mit dem Strom, schwimmen und Unfälle verhüten.

    Ein paar Dinge mit den Kindern gemeinsam versuchen aber nichts daran festhalten, wenn sie zu scheitern drohen.
    Es gibt ein paar Gerichte, die können die Kinder und ich zusammen kochen. Wir können zusammen Wäsche auf- oder abhängen und wir können zusammen einkaufen gehen. Und spielen, lesen, baden, toben. Das sind unsere Basics, die wir in den gemeinsamen Zeiten bearbeiten können. Alles andere ist zu viel, von Glück abhängig und somit kaum wert, es zu probieren.

    Ansonsten warte ich den nächsten Entwicklungsschub ab. Und dann den nächsten. Und den nächsten. Und den nächsten…

    Liefs,
    Minusch

    PS: Primzahlen würde mein Gehirn unter Stress nicht eine finden…da bin ich wie blöd, leergefegt, unterirdisch doof.

  2. pitz

    Übrigens, ich finde das mit dem „Angst machen“ gar nicht so problematisch. Man muss es ja nicht dramatisieren, aber das Kind muss aufgeklärt werden, was passiert, wenn es keine Zähne putzt, also den Sachzwang hinter der Tätigkeit erfahren. Das Kind weiß ja noch nicht, warum Eltern das machen und dass das gut ist und dass es schlimm und lieblos wäre, nicht zu putzen.

  3. Neeva

    Wenn mein Sohn mich nervt, merke ich das daran, dass ich plötzlich lauter werde. Was meistens unabsichtlich und ungeplant passiert.
    Inzwischen (er ist anderthalb) bin ich aber auch ruhiger und nicht mehr ganz so panisch darauf bedacht meine Zeitpläne einzuhalten. Wieder zu arbeiten und den Kleinen in der Krippe zu haben, hat auch massiv geholfen.
    Bei uns ist es so, dass der Kleine praktisch sofort Ruhe gibt, wenn ich ihn auf den Arm nehme. Ich koche dann schonmal einhändig mit Kind auf der Hüfte und rede mir ein es wäre Krafttraining.
    Und dann mache ich mir natürlich Gedanken, ob ich das Kind total verziehe, weil ich normalerweise fast alles mache, damit er nicht quengelt.

  4. Marlene

    Ich bin gerade mit Kind und Freund im Urlaub und ich weiß nicht wie ichs durchhalten soll. Vor dem Urlaub dachte ich raus aus dem Alltag rein in die Sonne, das Kind quengelt nicht mehr wenn es angezogen wird, den ganzen Tag nackig, die Eltern sind entspannt – das wird super. Überhaupt nichts ist super, Kind funktioniert nicht so wie zu Hause, es schläft nicht wenn andere schlafen und isst nicht wenn andere essen und überhaupt macht es nichts, was ich gerade für richtig halte. Und im Übermüdungszustand hab ich Fluchtgedanken. Naja, ich hab jedenfalls keine Strategie – außer Durchhalten und alles tun damit das Kind nicht weint, ständig stillen, ihm alles in die Hand geben was es will und so weiter. Keine coole Strategie, aber wenn ich Wutausbrüche in 5min-Abständen nicht ertragen kann, dann solls doch machen.
    Ich habe schon an mir gezweifelt, hier gibt es dann diese freudestrahlenden Mütter die drei Kinder an der Hand und eins im Bauch haben und gar nicht wissen, was ich mit „anstrengend“ meine.

  5. emja

    wenn es bei mir so ist dass meine Kinder, 5 und 3 Jahre, auf mir rumturnen, mich total nerven, laut sind, streiten usw… dann hilft bei mir nur 1. Kaffee trinken und etwas mit ihnen malen (wenn es regnet oder schneit oder ein Kind krank ist) oder 2.mit den Kindern auf nen Spielplatz gehen oder 3. in seltenen Notfällen mal ne Kinder-DVD reinhauen…

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