Wenn man ein zweites Kind bekommt, stellt man fest, dass man beim ersten ganz schön viel falsch gemacht hat. Na gut, ich will nicht dramatisieren. Aber irgendwie habe ich doch das Gefühl, dass mein (bzw. unser) Erziehungstalent bei Minime noch in der Betaversion lief. Nicht nur das Erziehungstalent, auch meine Ansichten zu bestimmten Punkten und die Energie, die man für bestimmte Kämpfe noch hatte.
Bestes Beispiel: Schlafen. Minime lag im ersten halben Jahr seines Lebens neben mir/uns im Beistellbett und manchmal auch direkt bei uns. Als der Mann nach 6 Monaten in Elternzeit ging, wollte er Minime in sein eigenes Bettchen legen. Ich selber hatte dafür keine Geduld. Er saß also beim Einschlafen neben ihm, bis er eingeschlafen war. Wurde Minime nachts wach, ging der Mann hin und streichelte ihn, bis er wieder eingeschlafen war. Als er dann etwas größer war, bekam er sein eigenes Zimmer. Auch dort der allabendliche Versuch, er möge in seinem Bett einschlafen (und idealerweise auch durchschlafen. Um es vorweg zu nehmen: Wir haben ihn nicht schreien gelassen, mit ferbern hatte das nichts zu tun!). Das konnte schon mal…dauern.
Und Kind2? Ist 16 Monate alt und liegt jede nacht schnarchend in unserer Besucherritze. Inzwischen haben wir ein größeres Bett für uns organisiert und finden uns damit ab, einen Großteil des Platzes an Cashew abzudrücken. Unsere „Begründung“: Das Kinderbett ist zu klein für Kind2 (ist es auch wirklich. Aber ein größeres haben wir bis jetzt trotzdem nicht organisiert). Aber bald, BALD soll Kind2 wirklich mal unser Bett verlassen!
Treue Leser_innen erinnern sich vielleicht noch an die Zeit, als ich über das Treppensteigen mit Minime jammerte. Wir wohnen im 5. Stock ohne Fahrstuhl und sobald Minime das erste mal eine Treppe gestiegen ist erwartete ich, dass Minime jetzt selber die Treppe hochläuft. Und was ich gemotzt und gemeckert habe, wenn er es nicht tat! Kind2: wiegt gefühlt das Doppelte von Kind1 und ich trage ihn trotzdem hoch. Was soll ich mich aufregen?
Süßigkeiten? Sollte Kind1 möglichst meiden. Streng rationiert wurde das Zeug. Kind2 drück ich einfach mal nen Keks in die Hand. Ist er beschäftigt.
Und dann das Zurückstecken. Exklusive Mama-Minime Zeit gibt es fast gar nicht. Immer muss ich Minime vertrösten: Schatz, das können wir nur machen, wenn Dein kleiner Bruder schläft/mit Papa spielt/nicht da ist.
Türme bauen? Die macht Kind2 kaputt. Memory spielen? Kind2 schmeißt die Karten vom Tisch. Gute Nacht Geschichte vorlesen? Kind2 reißt mir das Buch aus der Hand und dann die Seiten aus dem Buch.
Ist es nicht echt gemein, dass Minime immer warten muss, immer Rücksicht nehmen? Ich mein, mir ist schon klar, dass er da keine schwerwiegenden Schäden von mitnimmt. Ich selber bin auch die ältere in der Geschwisterrangfolge und hab’s überlebt. Aber oft tut es mir leid, dass ich bei Kind1 alles so machen wollte, wie ICH es wollte. Dass ich die Grenzen so eng gesetzt habe und nicht abweichen wollte. Das brauchte ich wohl auch, schließlich wusste ich ja nicht, was passiert, wenn ich diese Grenzen mal erweitere oder verschiebe. Sodom und Gomorrha!
Da tröstet es nur wenig, dass ich mal gelesen habe, die Erstgeborenen seien erfolgreicher und dann ein paar Gründe überlegen:
Noch eine andere Idee hatten im vergangenen Jahr die beiden Ökonomen Joseph Hotz und Juan Pantano: Könnten sich die Erziehungsmethoden der Eltern im Lauf der Jahre verändern? Sind die Eltern mit Erstgeborenen strenger? Große Geschwister kennen die Diskussion aus der Familie: Ob es ums Colatrinken geht, ums lange Aufbleiben oder um Discobesuche: Die Älteren müssen erst jedes neue Recht mühsam durchsetzen, die Jüngeren müssen dann meistens nicht mehr lange warten, bis sie auch dürfen. Hotz und Pantano haben in einer Umfrage aus den Vereinigten Staaten gesehen, dass Eltern die älteren Geschwister sogar bei schlechten Noten deutlich eher bestrafen als die jüngeren. Vielleicht wollten sie mit den älteren Geschwistern besonders hart sein, um an ihnen den Kindern Disziplin beizubringen, folgerten Hotz und Pantano. Andere sagten: Die Strenge wird den Eltern mit der Zeit selbst zu anstrengend.
Also erfolgreich oder „geliebt“? Das ist natürlich quatsch, denn Minime liebe ich kein bisschen weniger als Cashew. Und überhaupt mache ich mir bestimmt unnötige Gedanken. Also nehme ich Minime ein bisschen fester in den Arm, wenn ich ihn aus dem Kindergarten abhole und schenke ihm ein Schokoeis.
Schön geschrieben! Ich habe zwar noch kein zweites Kind, weiß aber jetzt schon, was ich alles anders machen werde. Zum Glück habe ich aber bei Kind 1 ziemlich schnell gemerkt, dass ich es mir oft unnütz schwer mache und bin schnell umgeschwenkt. Von Kinderwagen auf Tragetuch, von Kinderbett auf Elternbett, von Brei auf Milch usw. Bei Kind 2 werde ich es dann einfach sofort so machen und gut is!
Und weißt du, was ich in Bezug auf „erstes Kind im Nachteil“ denke? Eigentlich hat das erste Kind doch einen wahnsinnigen Vorteil: Es hatte in seinen ersten Lebensjahren Mama und Papa exklusiv für sich. Alle Kinder, die danach kommen müssen die Eltern mit Geschwistern teilen. Daher kein Grund für ein schlechtes Gewissen! 😉
LG, Sophie
Stimmt, vielleicht gleicht diese Exklusiv-Zeit das ganze wieder aus! Danke, das gibt mir zu denken (im positiven Sinne)
Ist ja lustig – aus deinen Beschreibungen hätte ich entnommen, dass Minime viel mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, als er kleiner war und hätte spontan eher dein Zweitgeborenes bemitleidet. Auch wenn du Minime stärker reglementiert hast: das ist Aufmerksamkeit. Du hast ihm dadurch sehr viel Zuwendung gegeben. Cashew läuft nun stärker mit, weswegen ihr den Weg des geringsten Widerstands geht. Du behandelst beide zwar jeweils anders, aber „falsch“ ist das nicht, finde ich – nur menschlich.
Danke für den Kommentar (nicht zuletzt, weil ich Dich noch in die Blogrolle mit aufnehmen wollte…)
Wah, es geht mir genauso! Und ich habe ein schlechtes Gewissen, ja. Aber was nutzt es? Erfahrung macht klug, das gilt auch für die Mutterschaft / Elternschaft. Das ist quasi in der Natur so angelegt und somit artgerecht. Naja, fast. Leider ist kein erfahrenes Dorf mehr da, um Anfänger-Eltern zu begleiten….
Ja, und ich vermute es ist wie so oft: Wenn sie groß sind, werden sie uns ganz andere Sachen vorwerfen, als die, von denen wir es glauben 😉
Meine zweite ist erst ein halbes Jahr alt, daher ist es noch etwas früh für ein Fazit. Aber ich bemitleide eher sie, die Große holt sich die Aufmerksamkeit die sie braucht, die kleine läuft meist nur mit. Aber ich merke auch, dass ich vieles anders mache. Aber das Kind ist auch anders. Die Große schläft lieber in eigenen Bett. Die kleine brüllt, wenn sie nicht nachts kuscheln und nuckeln kann. Und dann ist mir mein Schlaf wichtiger… Aber die kleine genießt die Zeit mit der Großen total, so viel Unterhaltung konnte ich der Großen zu der Zeit nicht bieten.
Stimmt, beim Großen war ich oft noch überfordert damit, ihn angemessen zu „bespaßen“, das übernimmt beim Kleinen ja der große Bruder mit 🙂
Hachja… Diese Zweifel und Gedanken teile ich alle… Aber dennoch bin ich ganz fest davon überzeugt, dass genau das, nämlich sich selbst zu reflektieren und zu hinterfragen uns alle vor sehr viel schwerwiegenderen Fehler bewahrt 🙂 Wäre übrigens auch ein sehr schönes Thema für ’ne Blogparade! Ich könnte 5€ wetten, dass so ziemlich jede/-r Mehrfachmutter/-vater ähnliches zu berichten hätte 😉
Du meinst eine Aufzählung der größten Fehler? 😀
Hehe… 🙂 Neeee nicht unbedingt. Diese Gefühlswelt-Achterbahn, das schlechte Gewissen, die ständigen Selbstzweifel, das Gefühl man könnte es irgendwie doch noch besser/anders/gerechter machen… Und so. Ich glaub, dazu könnten echt alle Mehrfacheltern was erzählen. Würde mich zumindest echt wundern (und ich würd mich fragen, was ich dann falsch mache 😀 ) wenn nicht!
Wird beim dritten Kind nicht anders, kann ich von hier vermelden. Hab das Gefühl, die Kleine, das Nesthäkchen, darf ganz viel, weil wir viel entspannter sind, weniger enge Grenzen vorgeben, weniger Angst haben, dass uns gleich die ganze Erziehung um die Ohren fliegt, wenn mal einen Abend keine Zähne geputzt werden. Ob das mit jedem Kind so weitergeht? Oder hat man irgendwann den Erziehungserfahrungs-Sättigungspunkt erreicht?
Ich werds wohl nicht ausprobieren 🙂