Kinder Kinder, neee wat war dat schön!
Ich bin keine geborene Kölnerin oder Rheinländerin und Karneval stand 2008, als ich nach Köln zog, NICHT auf meiner Liste der Argumente für den Umzug. Ich wollte den Karneval ignorieren, nahm ich mir vor. Da ich die ersten Jahre auch noch im Ruhrgebiet arbeitete, war dort Karneval quasi nicht existent und der 11.11., Weiberfastnacht oder Rosenmontag ganz normale Arbeitstage. Nachdem ich es in meinem ersten Jahr Weiberfastnacht noch versuchte, ganz normal mit dem Zug zur Arbeit zu fahren sah ich in den kommenden Jahren zu, wenigstens HomeOffice zu machen. Nun wohne ich in der Kölner Südstadt, einem Epizentrum des Kölner Straßen- und Kneipenkarnevals. Das heißt eine Woche lang Dauerbeschallung mit Karnevalsmusik und Blaskappellen. Zunächst saß ich im Home Office an meinem Schreibtisch und weigerte mich, die Musik zur Kenntnis zu nehmen, den Blick starr auf den Schreibtisch. Aber das half nichts, mein Fuß fing an zu wippen, irgendwann ging die Hüfte mit und schließlich stand ich auf dem Schreibtisch und brüllte „Schenk mir heut Nacht Dein ganzes Herz und bleib mir, dann schenk ich Dir mein Herz und zeige Dir – was Dir gefällt NANANANANANANA“ …äh, naja fast.
Um es kurz zu machen: Das Karnevalsfieber packte mich irgendwann. Zunächst immer nur kurzfristig, so ähnlich wie Weihnachten: Was? DAS IST SCHON NÄCHSTE WOCHE? Dann mit langfristigen Überlegungen zwecks Kostüme und Veranstaltungen. Seit einigen Jahren gehört die Stunksitzung zum Programm.
Auch dies Jahr waren wir dabei, zwei Tage vor Weiberfastnacht. Das Programm war spitze, kreativ, witzig und auch bewegend, die Musik sowieso top. Und die Leute? Bunt gemischt und ich hab mich am allermeisten über diese kostümierte Dame gefreut:

Das allergeilste #kostüm auf der #stunksitzung: #armlänge Abstand mit rausfahrbahren Armen!!! #stunksitzung2016 #cologne #köln #karneval #carnival (leider war das Kostüm nicht von mir)
Ich selber war gar nicht verkleidet, die Menschen mit denen ich dorthin gehe grenzen sich gerne von dieser Art Spaß ab. Naja.
Weil ich 2014 eine Kampagne namens KonsensKarneval – Ein Kostüm ist keine Einladung initiierte, die – damals – kein Schwein interessierte, kamen dieses Jahr einige Presseanfragen. Nach Sylvester in Köln hatte das Thema einige Aufmerksamkeit – allerdings nur aus dem Ausland. Der Rheinländer lässt ja nix komme auf seinen Karneval, kritische Berichterstattung ist da nicht erwünscht. Ich erzählte also ein bisschen was über den Kölner Karneval und Sexismus einem Mann eines englischen Mediums, der mich dann aber doch nicht zitierte, weil es in dem Artikel nur um Weiberfastnacht gehen sollte (?). Dann kam noch eine Anfrage vom Schweizer Kulturfernsehen. Am Mittwoch vor Weiberfastnacht setzte ich mich mit einer Journalistin und einem Redakteur vom Fernsehen zusammen und sprach über Gender, Sexismus und die Eigenarten des Kölner Karnevals. Wir verabredeten uns für die Aufnahmen um 16 Uhr an Weiberfastnacht. Ich, angemessen in rot-weiß gekleidet raus ins Epizentrum vor meiner Haustür. Und die Schweizer_innen angemessen beeindruckt (falls sie angewidert waren, haben sie das höflich verborgen). Ich weiß noch nicht, was dabei heraus gekommen ist, aber ich glaube, es läuft heute abend um halb elf im Schweizer Kulturfernsehen – wenn ich den Link habe, teile ich den natürlich auf meiner Facebook-Seite.
Weil Kind1 an Weiberfastnacht schon im Kindergarten Karneval gefeiert hat und ordentlich ausgepowert war haben wir den späten Nachmittag und den Abend ruhig zu Hause verbracht.
Der Freitag war für mich ein ganz normaler Tag. Samstag nachmittag ging ich mit Minime dann ins Kindertheater, ein Ritual was sich in den letzten beiden Jahren eingebürgert hat. Dieses Jahr gab es „Rotkäppchen“ – natürlich mit bösem Wolf. Minime mochte diesen Teil der Geschichte so gar nicht und war nur bereit, weiter zu gucken, wenn er auf meinem Schoß sitzen dürfte. Da fiel mir eine meiner wenigen Erinnerungen an meine Kindheit in dem Alter ein: Ich war ebenfalls im Theater, klassisches Kasperletheater, und es wurde die böse Hexe angekündigt! Da muss ich wohl auch ordentlich Angst bekommen haben, sonst wäre es mir nicht so in Erinnerung geblieben. – Anschließend an Rotkäppchen gab es noch eine Party für die Kinder. Sehr coole Sache, die Kinder tanzen und spielen mit Ballons und Mutti steht an der Theke und trinkt ein Bier…naja, andere Mütter, Minime war an diesem Tag etwas anhänglich.
Am Donnerstag (Sprung zurück zu Weiberfastnacht) geschah noch eines dieser kleinen twitter-Wunder, für die ich dieses Medium so liebe! Sonja, aka mama-notes twitterte, sie sei unverkleidet am Schreibtisch und alle anderen seien verreist oder krank. Spontan ergab sich ein kleiner Dialog, man müsse Karneval zusammen feiern. So schrieb ich, wenn sie Samstag in die Kölner Südstadt käme, sei ich dabei – tja, also hatten wir ein Date, noch zusammen mit Mrs Cologne und Kiko. Also brachte ich Samstag nach dem Kindertheater Minime nach Hause, machte mit dem Mann die Kids bettfertig und zog mich dann um. Um die schon feiernden drei noch einzuholen in der Partymasse.
Die Stimmung draußen war super, obwohl ich eine dreivierteil Stunde auf Einlass in die Kneipe warten musste hatte ich keine Langeweile: Irgend eine Trommelgruppe musizierte, hunderte Menschen standen vor den verschiedenen Kneipen und theoretisch waren genug Getränkemöglichkeiten da.
Dann hab ich den Einlass geschafft. Noch an der Fast-Prügelei an der Damenkloschlange vorbei und auf auf mein erstes Kneipenkarneval feiern! Es. war. so. schön. Ein bisschen eng und laut aber ansonsten war die Stimmung ausgelassen und entspannt. Ach, kölsche Karnevalslieder. Es gibt bestimmt eine Formel für den perfekten Karnevalssong und was nicht fehlen darf sind die Worte Dom, Rhein, Leben, Liebe, Lust, Feiern etc. pp. Dazu ein paar leicht mitzugrölende Vokale und zack – fertig der Partyhit. Ich liebe sie alle, auch wenn ich noch nicht textsicher bin. Vielleicht geh ich nächstes Jahr auch zu Los mer singe?
Am Sonntag stehen traditionell die Scholl- und Veedelszöch auf dem Terminplan. Aufstellung bei uns vor der Haustür. Der Zug ist die „kleine“ Variante des Rosenmontagszugs, bei dem nicht die großen Karnevalsgesellschaften mitgehen, sondern Schulen und Vereine aus Köln und co. Er mag zwar kleiner sein, aber ich liebe ihn noch mehr, weil man dort sieht, was für tolle Ideen für Wagen und Kostüme auch mit kleinem Budget und viel Liebe möglich sind.

Ich liebe die Schull- und Veedelszöch! Und Minime-Spiderman ist zu beeindruckt um ans Kamelle-rufen zu denken 🙂 #alaaf #wochenendeinbildern #karneval
Rosenmontag war ja große Sturmwarnung gegeben. Als ich mit den Jungs aufstand sah es auch echt usselig aus, es goß in Strömen! Aber Petrus ist ja ne kölsche Jung und Punkt 10, als der Zoch losging, schaute die Sonne raus. Da haben wir uns aber schon gegen rausgehen entschieden, weil nachmittags noch die große Familienkarnevalsparty angesagt war.
Der Mann war dies Jahr für das Schminken zuständig. Und doch, er hat mir zwei Hasenzähne gemalt. Aber dann kam Kind2 und wischte mir seinen Schnodder durch das Gesicht – und schon hatte ich nur noch einen Zahn.
Dienstag stand noch der Südstadtveedelszug an. Leider war auch Dienstag ein normaler Arbeitstag für mich und obwohl ich versuchte, rechtzeitig Feierabend zu machen kam ich erst an, als der letzte Wagen schon los gefahren ist. Dafür rechtzeitig, um den Kindern beim Kamelletragen zu helfen. In der Wohnung wurde dann ausgepackt.

Kamelleausbeute von zwei Zügen… #kamelle #alaaf #karneval (die Kinder sortieren jetzt: die Guten ins Töpfchen…)
Bis Weihnachten sind wir also mit Süßigkeiten versorgt.
Und jetzt? Erholen von Karneval. Bis zum 11.11. wenn es wieder losgeht, das Karnevalfieber…