Warum mir „Es ist nur eine Phase“ nicht hilft

Schon während der Schwangerschaft musste ich mich mit nervigen Sätzen und Fragen plagen. Natürlich geht es nach der Geburt gleich weiter, all die gut gemeinten Ratschläge und so. Mit der Zeit kam ich damit zurecht, aber einen Satz konnte und kann ich nicht leiden:

„Es ist nur eine Phase!“

Damit mein ich nicht dass ironischverzweifelte Es ist nur eine Phase, welches wir uns auf twitter zuwerfen. Im Sinne von: ich würd Dir ja gern helfen aber ich hab auch keine Idee…

Ich meine dieses altkluge, veteranenmäßige Es ist nur eine Phase, das kam wenn ich wirklich meine Sorgen und Nöte schilderte. Es dauerte eine Weile, bis ich verstand warum mich dieser Satz irgendwann nur noch wütend machte:

  1. Ob das Baby nicht schlief, ob es spuckte bis der gesamte Wäschevorrat verbraucht war – mir war und ist klar, dass Babys und Kinder nicht bis zu ihrem Auszug nachts die volle Aufmerksamkeit brauchen, ihre und meine Klamotten vollspucken oder dass sich die Geschwister nicht ewig die Köpfe einhauen: Ich weiß, dass all das vorübergehend ist. Bei den wenigsten Verhaltensweisen meiner Kinder habe ich mich gefragt, ob das „normal“ ist, ob sie dazu zu jung oder zu alt sind etcetera.
  2. Ich fühlte mich nicht ernst genommen. Es ist nur eine Phase ist eine Phrase, keine Unterstützung und kein Hilfsangebot. Hilfreich wären: „Oh ja, der Schlafmangel ist ätzend. Kannst Du Dir nen Babysitter leisten für ein paar Stunden, Du schläfst und jemand anders kümmert sich ums Baby oder geht mit ihm spazieren?“ (Nur so als Beispiel). Oder: „Ja, dieses rumlaufen nachts, mit Kind im Tragetuch geht auf den Rücken. Ich hab mir nen Hopsball gekauft, das hat glücklicherweise auch funktioniert. Und dann hab ich mir Hörpsiele auf den ipod geladen und die dabei gehört, während ich so rumhopste“

Versteht ihr, wie ich das meine? Das bestimmte Sachen zum Leben mit Kindern dazu gehören ist völlig klar. Spätestens beim zweiten Kind kennt man ja auch schon einige dieser Phasen.

Wenn ich jemandem von meinen Sorgen und Problemen erzähle erwarte ich auch nicht immer, dass das Gegenüber DEN Tipp für mich hat. Ich möchte aber das Gefühl haben, dass es mich ernst nimmt und mir zuhört. Ich habe immer bewusst den Austausch mit anderen gesucht, grade bei Themen die andere oft nicht so ansprechen weil es für einige zu sehr nach Jammern und Nörgeln klingt. Und zwar nicht, weil ich generell viel jammer oder nörgel, sondern weil ich wissen wollte, wie das bei Anderen ist. Ob es Sachen gibt, auf die ich selber noch nicht gekommen bin. Im Nachhinein denke ich zum Beispiel, dass ich mir spätestens nach dem zweiten Kaiserschnitt für eine gewisse Zeit eine Haushaltshilfe hätte organisieren sollen. Weil die körperliche Anstrengung, zwei kleine Kinder und ein berufsbedingt oft abwesender Partner definitiv mehr (Haus)Arbeit bedeuten, als ich vor den Kindern je hatte. Schafft man schon, dachte ich.

Bis mir eine Freundin, nachdem ich über meinen Gesamtzustand jammerte sagte, sie hätte alle verfügbaren Unterstützungsmöglichkeiten ausgeschöpft – und ich dann erst dachte: Aha, guck, versuchen gar nicht alle, alles alleine zu regeln. Aber wenn keine_r darüber redet – woher soll mans wissen? Darum sage ich Neumamas nie „Es ist nur eine Phase“, sondern höre zu, frage nach, überlege mit.

Findet ihr diesen Satz auch so nervig? Welche Sätze gingen oder gehen euch auf den Geist?

10 Kommentare

Eingeordnet unter familie

10 Antworten zu “Warum mir „Es ist nur eine Phase“ nicht hilft

  1. The Rese

    Amen Schwester!

    Mich nervt – im Endeffekt aus ähnlichen Gründen – „jedes Kind ist anders.“ Nicht das „humm, da weiß ich auch nicht weiter, aber ich verstehe, dass es ätzt.“, sondern das iSv „get over it!“…

  2. Ja, kenne ich und bin ebenso genervt davon. Man hätte gerne einen Rat, bekommt aber eher „Ja, mir ging das auch so. Ist doch nicht dramatisch. “
    Besonders nervt es mich aber, wenn man nicht ernst genommen wir mit seinem Problem. Ist nur ne Phase, dass legt sich wieder. Und jedes Mal muss ich erklären, dass es eben keine Phase ist, sondern etwas ersteres und eine Beeinträchtigung, die nicht jedem direkt ersichtlich ist. Anstrengend. Immer wieder erklären und Kopfschütteln ernten. Leider verstehen es nicht mal die Großeltern, so dass wir kaum Unterstützung bekommen.

  3. LisP

    Für mich ist das mehr so ein Mantra das ich mir selbst vorsage, wenn ich grad mal wieder versuche, die letzten Fasern meines Geduldfadens zusammen zu halten. So „Ommmm, es geht auch wieder vorüber, ommmmm“

    Wobei ich diese Phrase anderen nicht völlig unmotiviert entgegen werfe. Höchstens, wenn mir sämtliche anderen Ideen ausgegangen sind und ich mit meinem Gegenüber auch schon ausführlich über das aktuelle Problem gesprochen habe. Aber dann ist es eben so ironischverzweifelt (schönes Wort!).

    Mich reizen jetzt weniger bestimmte Phrasen, sondern eher Einstellungen. Besonders jene, die einem zu verstehen gibt, man sei in Sachen Erziehung wohl völlig unbedarft, denn dem Problem habe man selbst doch schon von Anfang an vorgebeugt. *augenroll*

  4. mich haben diese stehsätze früher auch unendlich gestört. sehrsehr. bis ich erkannt habe, dass ich sie auch immer wieder mal selbst sage und sie manchmal fast als formelmäßige höflichkeitsfloskel verwendet habe à la „wie geht’s? – gut“. ich hätte mir jedesmal auf die zunge beißen wollen. wohl nicht gegenüber freund_innen, sondern gegenüber bekannten am spielplatz und so. dann bin ich draufgekommen, dass es eigentlich völlig egal ist, was gesagt wird, wenn es von einer_einem freund_in kommt. darum rede ich jetzt bei kinderthemen, die mir wichtig sind, einfach nicht mehr mit anderen leuten. weil sie es mir erhlicherweise ohnehin nicht recht machen können. und ich habe angefangen, es im gespräch klar zu formulieren, wenn ich einfach nur jammern mag oder tatsächlich einen konkreten rat brauche. ich glaube, das ist auch fürs gegenüber angenehm.

    • Das klar sagen was ich in dem Moment brauche mach ich inzwischen auch – bei Freund_innen. Und ja, ich bin weg vom immer und überall erzählen was grad nicht rund läuft. Weil viele es oft falsch verstehen oder missdeuten.

      • falsch verstehen und missdeuten, ja! generell hadere ich mit meiner „lösung“ lieber zu schweigen trotzdem. weil ich doch innerlich für sichtbarkeit und kinderpräsenz undundund plädiere. und dafür, probleme offen zu besprechen. aber ich belasse es tatsächlich meist bei knappen bemerkungen. hm..

      • Oh ja, diesen „Konflikt“ kenn ich. OFf- wie Online.

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