Mental (Re)Load: Die neverending To Do Liste

Ich wache auf. Wie spät mag es sein? Es ist nicht mehr richtig dunkel draußen, aber auch noch nicht hell. Und ich bin nicht mehr richtig müde, aber auch nicht wach. Noch mal einschlafen und zurück zu den Träumen, das wärs. Soll ich auf die Uhr schauen? Wenn ich sehe, dass es erst 5 ist, kann ich noch mal einschlafen. Ist es 5.55 Uhr lohnt es sich nicht mehr. Um 6.30 ist die Nacht vorbei und eine halbe Stunde ist viel zu kurz um den Gedanken an meine To Do Liste zu verdrängen. Die To Do Liste, die mich aus dem Schlaf geholt hat und sagt: Denk auch an alles!

Ich drehe mich ein paar mal hin und her, dann schau ich doch auf die Uhr: 5.50 Uhr, na dann ist ja auch egal. Ich liege auf dem Rücken und schaue im Halbdunkel an die Decke.

Zuerst gleich das Schulkind wecken, Brot schmieren, durch wirres Kopfhaar streicheln, hundertmal “jetzt iss endlich…leg das Buch weg und zieh dich an” sagen, eine Brotdose mit einer ausgewogenen Mischung aus Vitaminen, Kohlehydraten und Eiweiß packen und schon ist es vor der Tür. Vorher habe ich das Buch gesucht, dass er zurück in die Schulbücherei bringen soll, seit drei Wochen schon. Wir sollen es ersetzen, aber ich hab es neulich irgendwo liegen sehen. Um 7.35 Uhr geb ich die Suche auf und schreibe ‘Buch kaufen und in die Bücherei bringen’ auf meine To Do Liste. In das Übergabeheft der Ganztagsbetreuung schreibe ich, dass mein Kind mit seinem Freund und dessen Mutter nachmittags in den Park geht. “Deinen Turnbeutel einpacken, Schatz” und schon schließt sich die Tür hinter ihm.

Das Kindergartenkind sitzt verschlafen am Küchentisch, es möchte doch jetzt lieber Erdnussbutter als Marmelade auf sein Brot und ich überlege, ob es sich lohnt, eine Diskussion anzufangen, dass Brote, die einmal gewünscht und geschmmiert wurden bitte auch gegessen werden müssen. Mir fällt ein, dass heut Spielzeugtag im Kindergarten ist und so lenk ich ihn ab – welches Spielzeug solls denn heute sein? Zähne putzen, anziehen, Fahrradhelm einpacken, eine weitere Brotdose, das Spielzeug, los.

Nach dem Kindergarten schnell einkaufen. Meist mache ich mir Sonntags eine Liste, einen Menüplan. Natürlich liegt die Liste zu Hause, aber montags ist einfach, montags ist Nudeltag. Weils Montag in der Kita immer nur Suppe gibt und das Kind abends sehr ungehalten wird, wenn ich Experimente beim Essen wage.

Um kurz nach neun sitze ich am Schreibtisch, eine weitere Liste wartet: Emails beantworten, Texte schreiben, Recherchieren, noch mehr Texte schreiben, Meeting, wieder Texte schreiben. Ich höre mit der Arbeit nicht auf, wenn sie fertig ist, sondern wenn ich die Kinder abholen muss. Der Rest muss warten.

Ich packe ein paar essbare Kleinigkeiten ein, fülle eine Trinkflasche, sammel beide Kinder ein und gehe auf den Spielplatz. Oh, eigentlich wollte ich vormittags doch endlich die Reisekostenabrechnung erledigen, verjährt sowas eigentlich? Das Finanzamt hätte endlich gern meine Steuererklärung aber ich wusste ja auch nicht, dass man für die Online-Eingabe erst auf den postalischen Pin warten muss. Wann soll ich die EÜR überhaupt erledigen? Bekomme doch eh nix wieder fürs letzte Jahr. Orrr. Die Kinder müssen wieder zum Zahnarzt und ich brauche wieder Salbe für meine Haut, da soll ich auch immer in die Sprechstunde kommen. Zum Friseur müsste ich mal dringend und wann war ich eigentlich das letzte mal beim Sport? Wieso haben wir eigentlich schon wieder September und wo ist die Zeit hin?

Wer kümmert sich um die Katze wenn wir in den Herbstferien weg fahren, und wer kann abends auf die Kinder aufpassen wenn ich dieses berufliche Meeting am Abend habe?

Nächste Woche ist das Kindergartenkind auf einen Kindergeburtstag eingeladen und wir brauchen noch ein Geschenk. Der Herbst kommt und beide Kinder brauchen wetterfeste Kleidung. Passt dem Kleinen das Zeug vom Großen? Was braucht der Große neu?

Mist, jetzt hab ich vergessen, diese eine Mail – für den Job – abzuschicken, das wollte ich doch endlich von der Liste streichen…

Als ich die Unterlagen für die Steuererklärungen raussuche, überlege ich, wo ich die Briefmarken hingetan habe, die ich gestern gekauft habe. Habe ich sie vielleicht in der Post vergessen? Ich kann mich daran erinnern, die Quittung eingepackt zu haben, aber nicht die Briefmarken (P.S. Ich finde sie einige Tage später im Altpapier…). Dafür habe ich das Backpulver wieder gefunden, was ich neulich suchte. Es lag nicht bei den Backzutaten, sondern beim Müsli. Wo hatte ich da nur meinen Kopf?

Der Wecker klingelt, es ist 6:30 Uhr. Der Tag beginnt.

 

Langweilt ihr euch? Oder kommt euch das vertraut vor? Egal, was ich von der Liste streiche, es kommen direkt zwei neue Sachen dazu. Die Listen helfen nicht, denn es steht einfach zu viel drauf. Zu viel. Das hat nichts mit Vergessen zu tun, oder Zeitmanagement. Es steht einfach zu viel drauf, zu viel für zu wenig Zeit und zu wenig Menschen.

Mental Load. Für mindestens drei Personen. Wenn der Mann zu Hause ist macht es das minimal besser, man kann sich zwar mehr Aufgaben teilen, muss aber organisieren wer was wann macht. Und das ist oft eine weitere Aufgabe auf der To Do Liste.

Ich habe lange auf diesem Text rumgekaut und er fasst doch nicht in Worte, wie sich das anfühlt. Neulich ging noch mal dieser grandiose Comic viral, auf dem meine älteren Blogbeiträge beruhen. Und ja, auch ich übernehme hier einen Großteil des ‘Mental Load’, aber bei weitem nicht so extrem, wie im Comic dargestellt, auch wenn ich an mancher Stelle nicke. Hier gibt es immer wieder Phasen, in denen der Mann längere Zeit weg ist – und wenn er wieder zu Hause ist, folgt eine Art “Einarbeitungsphase”. Sonntags abends komme ich mit dem Plan für die nächste Woche, wir besprechen was ansteht. Keinen Mental Load haben hieße, jemand sagt MIR was ich tun soll. Und wann. Und wie.

Mareice Kaiser hat viele Ideen gesammelt, die an strukturellen Punkten ansetzen.

Vielleicht braucht es aber auch mehr Sichtbarkeit, dessen, was Eltern neben Lohnarbeit und der reinen “Beaufsichtigung” der Kinder leisten müssen. Für mich ist es keineswegs erstrebenswert, dass beide Eltern 40 Stunden/Woche arbeiten (müssen).

Falls ihr Lust habt, nehmt an dieser “Blogparade” teil oder schreibt eure To Do Liste hier in die Kommentare – ach übrigens: die Hälfte dessen, was ich eigentlich tun wollte/sollte, habe ich vergessen hier aufzuschreiben, weil ich ja in Gedanken schon dabei war, mich für den Elternabend im Ganztag schriftlich zu entschuldigen. Muss wohl doch mehr an der Organisation arbeiten!

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3 Kommentare

Eingeordnet unter feminismus

3 Antworten zu “Mental (Re)Load: Die neverending To Do Liste

  1. Boah, diese ständige Orga, die raubt mir noch den Verstand. Mir ist erst kürzlich klar geworden, was mich eigentlich so stresst, obwohl der Mann und ich die Aufgaben gut teilen: dass ich der Kopf hinter dieser Sache bin und ohne mich nichts läuft – weil ich plane, organisiere, delegiere. Ständig, immer, ohne Pause.

    Ich habe darüber geschrieben (und mich mal fröhlich verlinkt) und seitdem der Mann und ich einen sehr guten Podcast zu dem Thema gehört haben, ist es MIR und IHM wie Schuppen von den Augen gefallen.

    Nun teilen wir uns die Organisation und das „im Kopf haben“ mittels Kalender mit klaren To Do’s und Terminen und einem wöchentlichen kurzen Gespräch zu den anstehenden Dingen und es läuft viel besser.
    Mir ist auf jeden Fall ein großer Teil der Last von den Schultern genommen.

    Liebe Grüße
    Barbara

  2. Ach, schade, dass das Linkup schon geschlossen ist – mein Artikel ist leider immer noch nicht fertig, dabei finde ich das Thema gerade bei Allein- und Getrennterziehenden und natürlich bei Eltern von Kindern mit Behinderung so wichtig!

  3. Nun habe ich es doch noch geschafft, meinen Artikel zum Thema Mental Load bei Getrennt- und Alleinerziehenden zu schreiben – und setze ihn jetzt zumindest hier in die Kommentare, wenn das ok ist! https://kleinstadtloewen.blog/2018/10/03/kinderfrei-vs-kinderfrei-zum-thema-mental-load-bei-getrennt-und-alleinerziehenden/
    Danke Dir für die Inspiration!

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