Archiv der Kategorie: Philosophie am Wickeltisch

Das Gegenteil von Ohnmacht…

…ist Macht? Für mich ist das Gegenteil von Ohnmacht machen. Machen erzeugt – bei mir – das Gefühl von Selbstwirksamkeit und auch, ich weiß kein besseres Wort, von Kontrolle? Jedenfalls merke ich den Teufelskreis von Pandemieauswirkungen auf mein Nervenkostüm (konkret mit all dem Homeschooling und den Quarantäneanordnungen), Herbstblues und den sonstigen „Nebenwirkungen“ des letzten Jahres.

Ich sortiere also mal wieder meine Werte und überprüfe, ob ich auch wirklich so lebe, wie ich leben will und an welchen Schrauben ich drehen kann, um dieses diffuse Gefühl, dass zwischen Soll und Ist zu große Distanz herrscht, zu überwinden. Zugegebenermaßen ist ein Großteil aufgrund der oben genannten Gründe nicht wirklich zu verändern. Aber ein bisschen geht immer:

Im Sinne der Nachhaltigkeit hab ich am Freitag den alten Fahrradanhänger aus der Garage geholt, meine alten Tupperdosen und Marmeladengläser rein gepackt und bin den Weg zum Unverpacktladen (16km eine Strecke) geradelt. Der Mann hat mich begleitet und so hatten wir einen wundervollen Vormittag, bei bestem Wetter und haben was für Fitness und Nachhaltigkeit getan. Und Paarzeit hatten wir auch ^^.

Fahrradanhänger
Erst mal Reifen aufpumpen

Nein, ich bin nicht so naiv zu denken, dass ich damit die Welt rette. Vom Welt retten bin ich inzwischen weit entfernt (als „Ziel“). Aber ich glaube immer noch daran, dass alle ihren Anteil beitragen können. Welcher das ist muss jede:r selber wissen. Aber mir brachte der Freitag Vormittag das Gefühl zurück, einen Unterschied zu machen.

All die kleinen, weißen Punkte sind Schwäne. So viele hab ich noch nie auf einmal gesehen

Das Wochenende gestaltete sich ähnlich unspektakulär aber mit einer Menge Upcycling und DIY. Wir haben Winterreifen aufs Auto gemacht (ich hab zum zweiten Mal unter Anleitung mitgemacht, es ist wirklich keine Raketenwissenschaft, was ihr vielleicht schon wisst. Aber ich gestehe, für meine feministische Haltung bin ich bei „solchen Dingen“ sonst eher unbedarft gewesen und finde es auch hier sehr befriedigend, mir das entsprechende Wissen anzueignen).

Dann hab ich noch drei alte Hussen von den Stühlen, die wir geschenkt bekommen haben, gefärbt. Die Hussen waren weiß und nach einem Jahr in diesem Haushalt komplett fleckig. Ich hab sie in gelb-orange gefärbt und hole sie in dieser Farbe gleich aus der Waschmaschine. Das Foto mit dem Endergebnis folgt noch. 12 Euro für „neue“ Hussen. Ja, bei Kleinanzeigen gibt es manchmal ganze Stühle zu verschenken, aber keine Hussen (die dann ja auch noch passen müssen. Und quer durchs Land muss man sie sich auch nicht schicken lassen).

Muss wahrscheinlich Werbung dran stehen, weil Marke erkennbar. Unbeauftragt & selbstgekauft schreib ich dann auch dazu

Um zum Anfang des Textes zurück zu kommen: Viele „kleine“ Dinge erledigt zu haben, nachhaltige Lösungen für alltägliche Probleme zu finden und Zeit mit der Familie zu haben, lassen mich mit der Woche ein bisschen glücklicher und zufriedener abschließen.

Rosmarin aus dem Garten trocknen, für selbstgemachte Geschenke

Wie war euer Wochenende?

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Was ist das neue Normal?

Der Urlaub in Holland fand in einer Art Parallelwelt statt. Nahezu niemand dort verwendete einen Mund-Nasen-Schutz. Es gab zwar wirklich überall Desinfektionsspender, aber auch die Abstandsregeln schienen mehr für die damit markierten Steine auf dem Boden, als für die Menschen, die darüber gingen.

Holland, meine liebe auf den zweiten Blick. Wenn man in der Nähe zur holländischen Grenze aufwächst, kann man dich schon mal unterschätzen. Dabei bist du wirklich sooo schön!

Gab es in Holland kein Corona? Es ist interessant, wie unterschiedlich Länder und Menschen damit umgehen. Und wie schnell sich der gefühlte Sicherheitsabstand ändert und wie es sich anfühlt, wenn er dauernd unterschritten wird.

Jedenfalls sind wir wieder Zuhause. Seit wir im Dorf wohnen, haben wir eigentlich perfekte Ferienbedingungen für die Kinder: Wir haben das letzte Haus im Wendehammer, dahinter großer Sportplatz, dahinter „Wald“. Der Rest Einfamilienhäuser in der 30er Zone. Ich hatte gehofft, dass die Kinder viel draußen sind in den Ferien, mit anderen Kindern. Nur – diese fehlen. Also Kinder gibt es schon. Aber entweder sind sie im Urlaub, machen Ausflüge mit der Familie, oder die Eltern finden sie zu klein, um „unbeaufsichtigt“ durch diese gezähmte Wildnis zu ziehen.

Mir liegt es fern, das zu werten, auch weil ich weiß, warum es so ist und es früher nicht alles besser war. Ich seufze nur, weil ich zwei Kinder habe, die am liebsten mit anderen Kindern spielen und kaum mit ihrem Spielzeug.

Vorbereitungen für die Einschulung von Kind2. Das Basteln der Schultüte übernimmt der Mann. Wer mich kennt, weiß warum oder hat gelesen, wie es bei Kind1 lief…

Dafür entschädigen ein wenig Abende wie neulich, als der Mann und ich abends vorm Haus saßen (ist schon ein rebellischer Akt, VOR dem Haus zu sitzen und nicht hinten im Garten). Erst kamen die einen Nachbarn dazu, dann die frisch aus dem Urlaub zurück gekehrten anderen Nachbarn. In einem großen Stuhlkreis (Abstand!) sitzen wir im Vorgarten, sechs Erwachsene, sechs tobende Kinder.

Ist das das neue Normal? Abstand, Makse wo weniger Abstand und der Rest heißt Abwarten, bis es eine Impfung gibt? Den Kindern ist es inzwischen unmöglich zu erklären, warum bestimmte Dinge erlaubt sind und andere nicht und mir fällt es auch immer schwerer, das nachzuvollziehen. Und ja, auf der Ebene versteh ich die Protestierer. Wenn so unterschiedliche Dinge unterschiedlich geregelt werden, jedes Bundesland, ja jede Stadt ihr eigenes Süppchen kocht. Ich schicke die Kinder kommende Woche in die Schule, wo sie erst im Klassenverband und anschließend – theoretisch, ich weiß noch nicht, ob ich sie in den Ganztag schicke – in anders gemischten Kleingruppen und nachmittags dann wieder mit den Nachbarskindern unterwegs sind – aber Oma und Opa dürfen nicht mit zur Einschulung in die Kirche?! Ok, man muss sich immer wieder klar machen, dass die Regelungen nicht geschaffen werden, um möglichst viele Menschenleben zu retten, sondern um das „Gesundheitssystem nicht zu überlasten“, es sollen also nicht alle gleichzeitig krank werden. Dennoch sind viele Entscheidungen absurd.

Ich sehne mich nach Homeoffice ohne Kinder und habe gleichzeitig Angst, sie in die Schule und ins Verderben zu schicken. Es ist ein Unding, dass man als Eltern mit dieser Verantwortung allein gelassen wird. Die Infos darüber, wie ‚gefährdet‘ Kinder sind tröpfeln nur langsam, was das für „Risiko“gruppen gehört, wird ausgeblendet und wenn ich daran denke, dass bei einer Schließung wegen Infektionen wieder alles an den Eltern hängen bleibt, werde ich wütend.

Aber gut, ich schaue in diese kommende Woche, mit der Einschulung von Kind2 Einer Versammlung der Grünen, an der ich teilnehmen werde und einer hoffentlich erträglichen Hitzewelle…Bleibt gesund.

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Auf ein Neues!

Frohes Neues sag ich noch. Ist ja noch nicht so alt das Jahr, aber dennoch: drei Wochen schon wieder rum?

Scheinbar ist man inzwischen zu cool für Neujahrsvorsätze. Weil ein Jahresanfang ja gar nichts heiße, gute Vorsätze kann man ja immer fassen und jeder Tag ist ein guter Tag und…überhaupt.

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Ein Selfie aus Dezember. Da sah ich morgens im Spiegel das erste Mal so alt aus, wie ich es laut Perso auch bin

Tja, ich bin aber eine von diesen Menschen, die jedes Jahr 100 neue Vorsätze fasst, sie hoffnungsvoll in ihr dilettantisch aufgemachtes Bulletjournal schreibt und sich am Ende des Jahres beim Nachlesen wundert, was sie mit „Kurs iHWK buchen“ meinte.

Meine Bucket List für 2020

Vielleicht brauchen Neujahrsvorsätze auch nur eine Umbenennung. Bucket Listen sind doch immer noch heißer Scheiß, oder? Wenn nicht, auch egal!

Hier meine – laaange – Liste von Vorsätzen, To Dos oder Buckets – however you call it, that’s what I want:

– mein Vorkinder-Gewicht erreichen

– ausmisten

– ein paar Fortbildungen machen

Gelebte Nachbarschaft – Shareconomy und Nachhaltigkeit

Der Umzug in den Vorort bringt für uns als Kleinfamilie viel Gutes mit sich. Die Familien mit Kindern sind eh schnell in Kontakt und die Kinder verabreden sich selbst. Ich seh das auch als Chance (oder Herausforderung) in diesem 3000 Seelen Ort eine Shareconomy im Kleinen zu schaffen. Jede_r hat hier eine Leiter, einen Rasenmäher, einen Schlitten, Werkzeug etc. Das müssen wir uns nicht auch noch alles einzeln anschaffen. Einiges haben wir schon mündlich oder per nebenan.de organisiert. Ich möchte jetzt auch noch bei Pumpipumpe aktiv werden. Hier kann man sich zum einen ganz analog Sticker bestellen, die man auf den Briefkasten kleben kann (oder besser sichtbar im Vorgarten/am Haus). Darauf sind Symbole abgebildet, die anzeigen, was man tauschen/verleihen kann. Digital gibt es das auch, mit einer Map, auf der man unter seiner Adresse die Gegenstände anzeigen kann.

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Einen Eichelhäher sehe ich hier oft. Ebenso Rotkehlchen, Buntspecht, Amseln, Meisen…

Unseren Vorgarten möchte ich ‚essbar‘ gestalten. Himbeersträucher (vielleicht einen Nussstrauch), ein Hochbeet mit Salat und Erdbeeren und das ganz offensiv zum Mitnehmen anbieten. Und auch hier digital bei mundraub.org registrieren, dass man hier was mitnehmen DARF. Dann stell ich mir eine Bank in den Vorgarten und bereite mich auf ein Leben als Fenster-Omi vor.

Für den Biomüll möchte ich einen Kompost und einen Bokashi bauen. Vielleicht eine Wurmkiste, aber da hab ich doch Bedenken wegen der armen Tiere. Vermutlich muss man immer darauf achten, die Kiste ausreichend zu füllen, damit sie nicht reihenweise wegsterben. Und nachdem ich es inzwischen schaffe, sogar meine Orchideen verrecken zu lassen (die ich bisher immer sehr pflegeleicht fand, einfach nicht gießen) ist mir das zu viel Verantwortung.

Und nachdem ich letztes Jahr in eine Partei eingetreten bin, möchte ich dies Jahr noch Mitglied in einer Umweltorganisation werden. Meine konkreten Gedanken zu #Klimaangst und co ein anderes Mal.

Haus und Wohnwagen vermieten – und viel reisen!

Schon lange liebäugel ich mit der Idee, unsere Urlaube „kostenneutral“ zu gestalten. Seit wir vor gut einem Jahr den Wohnwagen ergattert haben ist das Fernweh noch größer geworden. Die ersten Reisen (Eindrücke davon findet ihr in meinen Insta-Story Highlights) mit der kleinen Kutsche waren echte Traumurlaube und ich freue mich sehr auf Ausflüge nach Nord und Süd und Ost und West.

Camping mit dem Wohnwagen hat die Urlaubspreise im Vergleich zu Ferienwohnung oder Bungalow auf Campingplätzen schon mal halbiert. Wenn wir in der Zeit aber noch unser Häuschen untervermieten und den Wohnwagen auch dann, wenn wir nicht mit ihm unterwegs sind, ließen sich die Ausgaben vielleicht noch weiter reduzieren. Das macht natürlich Arbeit an anderer Stelle (eben an Zeit für Fotos, Orga, Aufräumen und Putzen), aber ich würde das gerne ausprobieren. Also richte ich Accounts für Airbnb, Haustausch und Paulcamper ein und hoffe auf vertrauenswürdige Untermieter*innen!

Haus und Garten

Der Umzug in Hausmitgarten bringt viele Möglichkeiten mit sich. Sooo viele Möglichkeiten. Und so wenig Ahnung…es sollte so Grundkurse für Neuhausbesitzer’innen geben, wo man lernt, was man alles so machen muss und wie: wann man die Einfahrt sauber macht, die Dachrinne, welche Hecken muss man schneiden und wie legt man ein Beet an?!

Die Rosen der Vorbesitzerin mussten leider den Bauarbeiten weichen und wurden durch neue von der Schwiegermutter ersetzt. Übernommen haben wir, neben einigen Nadelbäumen, einen Sommerflieder, Holunder, einen riesigen Rosmarin, eine Stachelbeere, eine Johannisbeere.

Ich habe schnell gelernt, dass man für den Garten kleine Ziele braucht. Besonders, wenn man kein Budget dafür eingeplant hat. Ich möchte ein Gemüse- und Kräuterbeet anlegen, ein Hochbeet im Vorgarten und ein, zwei Beerensträucher setzen. Ansonsten darf dort wild wuchern, was Insekten das Leben schöner macht. Eine Efeuwand haben wir auch übernommen, die bedarf regelmäßigen Rückschnitts, so viel habe ich schon rausgefunden.

Kreativität

Letztes Jahr habe ich angefangen, ein Hobby meiner Jugend wieder aufleben zu lassen: das Musizieren. Hauptsächlich habe ich Querflöte gespielt und habe bis zum Abi ein gewisses Level erreicht. Davon bin ich nun weit entfernt, aber da ich ja nicht vorhabe, auf klassischen Bühnen zu stehen erlaubt das viel spielerischen Freiraum.

Meine Stiftesammlung hat inzwischen absurde Größe angenommen und ich möchte zeichnen lernen. Genau genommen: Schmetterlinge zeichnen lernen. Keine Ahnung, warum ausgerechnet Schmetterlinge. Schöne Tiere, interessant, bunt (manche). img_8576img_9152

So, Hand aufs Herz: seid ihr Team ZucoolfürNeujahrsvorsätze oder Team 100DingeaufderBucketlist?

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Und nu?

Das Thema „Zweiter Weltkrieg/Drittes Reich“ haben wir in der Schule gefühlt hundertzwölfzig* mal besprochen. In Deutsch („Die Welle“), Geschichte sowieso, Reli, Philosophie („Ethik: Wenn ihr 19333 die Chance gehabt hättet Hitler zu töten, hättet ihr sie genutzt um den Tod von Millionen Menschen zu verhindern?“) und so weiter. Es gab Aktionswochen bei denen man das Thema „Unsere Stadt im zweiten Weltkrieg“ wählen konnte. Mit dem Fahrrad fuhren wir durchs nördliche Ruhrgebiet, auf den Spuren der damaligen Zwangsarbeiter_innen. Dort, in meiner Heimatstadt hatte die Afd 25%. Das Ruhrgebiet, ansonsten SPD Hochburg. Region im Strukturwandel.

Während über 10% der Wahlberechtigten eine rassistische Partei wählten schien die Sonne. Die Kinder tobten durchs Maisfeld. Ein ganz normaler Sonntag im Herbst

Ich habe mich oft gefragt, wie das damals passieren konnte. Wie so viele.

Irgendwann sah ich irgendwo Bilder eines Konzentrationslagers. In Farbe. Also von 1943 oder so. Und bei Sonnenschein. Irgendwie war in meiner Vorstellung immer alles schwarz weiß und Winter oder so. Ich weiß, wie absurd das klingt. Aber wie absurd erschien einer die Vorstellung dessen, was damals passierte…

Letztes Jahr war ich im November in Amsterdam. Ich stand vor dem Anne Frank Haus. Beziehungsweise auf der anderen Seite der Gracht. Das Tagebuch hatte ich einige Male gelesen. Die Schlange vor dem Haus war lang aber ich hatte auch gar nicht das Bedürfnis rein zu gehen. Die Fassade des Hauses war unwirklich, kein schickes Grachtenhäuschen, inzwischen war vielleicht auch einfach angebaut worden. Neben dem Anne Frank Haus seh ich von meiner Position die große Kirche. Leute, die vorbei Spazieren.

Die Natur zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Keine Gewitterwolken, keine Violinen in schrillen Tönen, während die Demokratie anfängt, sich selsbt zu demontieren

So wird es auch vor 70 Jahren gewesen sein. Während sich ein Teil der Menschen versteckt, auf der Flucht ist oder bereits tot, geht für einen anderen Teil das Leben weiter. Sich irgendwie durchbeißen.

Ich weiß nicht, was ich erwaret habe, wenn ich diese Bilder und diese Orte sehe. Gewitterwolken darüber? Plötzlich auftretende Schneeböen? Ein Streichorchester das die Melodien von Die Vögel oder Dem weißen Hai spielt? Mehr Dramatik? Mehr Warnzeichen, die wie PopUp Werbung auf dem Bildschirm auftaucht und auf „die Bösen“ zeigt?

Vermutlich war es das, was es mir als Jugendliche so schwer machte, zu verstehen. Dass keine Warnschilder aufgestellt wurden. Kein Chor Klagelieder sang. Das man darauf wartete, dass diese „Witzfigur“ sich selber entblöße. So wird aktuell  bei Trump darauf gewartet. Und jetzt eben hier…

Nachdem in den letzten Jahren der gesellschaftliche Tenor war, dass sich jede_r selbst di_er Nächste sei, wundern mich nicht Wut und Enttäuschung. Das erste mal als ich Wählen durfte sorgte ich mit vielen Anderen für einen Regierungswechsel zu rot-grün. Überzeugt wählte ich die SPD. Dann kam Harzt IV, unter rot-grüner Koalition in NRW durfte ich Studiengebühren zahlen (Ja, das Erststudium war dank „Bildungsgutscheinen“ einige Semester frei. Da ich aber kurz vor Antritt der entsprechenden Landesregierung beschlossen hatte, einen Master dranzuhängen wurde ich zur Kasse gebeten. 800 Euro pro Semester, die nicht in meiner Finanzplanung waren). Und in der SPD-regierten Stadt in der ich wohne, der Partei, die Bildung für Alle fordert, sind die Kita-Gebühren ein Thema auf allen Spielplätzen. Ich mein, so problematisch ich den Satz auch aus anderen Gründen finde, aber „Bei den Kinderbetreuungskosten kann ich gleich zu Hause bleiben“ sagt doch so Einiges. Enttäuscht bin ich auch.

Schön hier...

Im Maisfeld

Diesmal habe ich den Grünen meine Erststimme gegeben, trotz Sorge vor Jamaika-Koalition. Ich habe den Linken meine Zweitstimme gegeben, trotz Sarah Wagenknecht. Ich hätte diesmal gerne einer kleineren Partei meine Stimme(n) gegeben, aber ich wollte nicht, dass das unter „Sonstiges“ verpufft.

Wie auch immer. Was passiert ist, ist passiert. Es darf nur nicht so bleiben. Statt von Auswanderung zu sprechen überlege ich, wen ich wie unterstützen kann, damit es so nicht weiter geht. Wie ich mich solidarisch zeigen kann. Wie ich Projekte, die eh schon oft von wohlmeinender Unterstützung auf kommunaler und anderer Ebene abhängig sind, unterstützen kann. Ein paar Ideen  für antirassistische, feministische, transsupportiv, inklusive Projekte findet ihr zum Beispiel in den Threads hier:

und hier

Dass 87% eine demokratische Partei gewählt haben ist kein Grund auszuruhen. So gar nicht. Ich wünschte, ich könnte was Klügeres sagen. Aber „tu was“ (wenn Du kannst! wenn Du Energie, Ressourcen, Spoons hast! Sonst ist es in dieser Gesellschaft ja schon ein Akt, wenn man sich selbst was Gutes tun kann) ist das Einzige, was mir grade einfällt.

Und passt auf euch und Andere auf!

 

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Midlife Crisis mit 37?

Quasi automatisch um jeden meiner Geburtstage rum mache ich eine Art Bestandsaufnahme. Also ich schreibe keine Listen mit Besitztümern (die wäre eh überschaubar) oder erbrachten „Leistungen“. Aber ich horche in mich rein und frage mich intensiv: Bin ich da, wo ich hinwill? Bin ich zufrieden, was brauche ich noch auf dem Weg zu meinem persönlichen kleinen Glück?

37 – viel glücklicher, ein bisschen nachdenklicher

Ich bin zufrieden, ja!

Ich habe eine tolle Familie, Freund_innen die ich zwar viel zu selten sehe aber die immer für mich da sind. Mit denen ich gerne Zeit verbringe. Die mich gut kennen, gut genug um bei meinem Farbwechsel zu den blauen Haaren nicht zu fragen, ob ich ne Midlife Crisis oder eine andere persönliche Krise hätte. „Steht Dir gut!“ sagen sie.

Beruflich habe ich einige Hebel in Bewegung gesetzt um meine berufliche Situation 1. mehr auf das auszurichten, was ich kann und was ich gern tue und 2. so zu verändern, dass aus dem wackeligen Konstrukt von Berufstätigkeit (vom Mann und mir), Kinderbetreuung und Zeit für mich ein stabiles Fundament geworden ist, von dem wir alle profitieren. Ich bin sehr froh in der privilegierten Situation zu sein, mir dafür Zeit nehmen zu können und bald hauptsächlich das tun zu können, was ich immer tun wollte. Das bürokratische drumherum nervt mich tierisch aber da es schlichtweg dazugehört versuche ich einfach stoisch voran zu gehen. Ein Geschäftskonto ist beantragt, ebenso warte ich auf Rückmeldung vom Gewerbeamt, ob es mit meiner kryptischen Beschreibung meiner Tätigkeiten etwas anfangen kann. Nur die Zeit, die erscheint mir viel zu wenig. Jetzt könnte der Tag meinetwegen doppelt so viele Stunden haben!

Im Umgang mit den Kindern merke ich, wie gut mir das alles tut. Zwar leben wir nicht streitfrei, aber doch wesentlich gelassener insgesamt.

Ich organisiere unseren Familienurlaub für dieses Jahr und bin voller Vorfreude. Im Juni fahren wir drei Wochen weg und ich versuche im Sommer noch eine Woche irgendwie unter zu kriegen. Mein Fernweh möchte ich so richtig ausleben…

Ja, ich bin mehr als zufrieden, fast glücklich.

Wovon ich mich befreit habe

  • von der Sorge, was Andere von mir denken. Naja, ganz frei bin ich nicht von solchen Gedanken, aber ich kann sie gut im Zaum halten. Denn natürlich ist mir die Meinung meiner Liebsten wichtig. Aber nicht mehr so wichtig, dass ich immer darauf Rücksicht nehme.
    • Der Mann hat zum Beispiel kein Problem damit, vegetarisch zu kochen. Vegan kann er inzwischen auch ganz gut, aber manchmal grummelt er schon. Ich nehme das Grummeln halt in Kauf und koche zur Not selber. Ich muss Niemandem Umstände machen aber wenn vegan mein Weg ist, dann ist das so.
  • von Neid und Vergleichen. Auch hier: völlig frei wäre übertrieben. Obwohl – Neid habe ich schon lange nicht  mehr gespürt. Vergleiche sind dagegen ja auch oft hilfreich und so schaue ich schon: Was machen/schaffen/haben andere wie erreicht und finde ich das für mich (und meine Familie) erstrebenswert? Ich konzentriere mehr auf das, was ich für mich/uns brauche und will. Nicht mehr auf das, was theoretisch vielleicht möglich wäre.
    • Auch ich träumte lange von einer Weltreise mit Mann und Kindern. Dachte ich. Aber eigentlich will ich keine große Weltreise am Stück, um anschließend „normal“ weiter zu machen. Lieber sorge ich dafür, dass wir öfter mal weg fahren, die Ferien nutzen. Mehrere Auszeiten als eine Große. Und es muss für mich auch nicht mehr Thailand oder Bali sein, seit ich Strände wie die auf Ibiza & Formentera gesehen habe…
  • von Perfektionismus und der Angst vor Fehlern. Vieles von dem was ich in Zukunft mache hab ich vorher noch nie gemacht. Aber die Ideen sind gut, da ist ne Marktlücke und ich WILL es umsetzen. Für Einiges habe ich tolle Mitstreiterinnen. Aber insgesamt schmeiß ich mich ins kalte Wasser und kraule einfach drauf los. Und ja, die Angst zu versagen ist riesig. Aber ich weiß: Wenn ich es nicht tue wird mich das noch viel mehr auffressen als ein Scheitern meiner Projekte. Denn das Mindeste was ich tun werde ist Lernen. Zur Not für weitere Projekte die ich vielleicht für Andere dann umsetzen kann.

Trotzdem ist hier und da der Lack ab

Mehr Augenringe, mehr Bauchspeck, mehr Schlafbedürfnis – und dennoch habe ich schon lange nicht mehr so gern in den Spiegel geschaut. Ich schminke mich mehr, beziehungsweise öfter als früher. Nicht um Makel zu kaschieren. Sondern aus Spaß an den Farben und Möglichkeiten. Und weil ich keine Angst mehr habe, dass der rote Lippenstift meine schiefe Unterlippe betont oder meine krummen Zähne. Und wenn ich auf der Waage stehe seufze ich und denke an mein 17 jähriges ich, dass 15kg weniger wog und sich trotzdem zu fett fand. Himmel…

Aber da sind auch noch Wut und Angst

Nicht auf mein Leben bezogen. Also nicht auf das Stückchen, was sich um mich dreht. Sondern auf die Welt, das große Ganze, der ganze pathetische Scheiß. Rassismus, Rechtsruck, Umweltverschmutzung, Tierquälerei, Flucht und Krieg, Krankheiten. Das lässt mich einfach nicht los und ja, manchmal hindert es mich am Einschlafen. Ich versuche zu tun, was ich kann: Hier und da Geld spenden, mich bei der DKMS registrieren, vegan leben und müllfrei einkaufen. Ich bin auf der Suche nach einem Ehrenamt, aber finde es grad schwierig unter meinen zeitlichen und auch nervlichen Möglichkeiten etwas zu finden. Dieses „nicht die ganze Welt retten können“, so albern dieses Gefühl auch ist, dämpft meine Laune manchmal sehr. Ich klicke und zappe alles weg, was mich damit konfrontieren könnte und ärger mich gleichzeitig, dass ich diesen Luxus ausnutze: Einfach wegklicken, wegsehen zu können. Aber wer ist schon päpstlicher als der Pabst und wenn sich hier beruflich vielleicht etwas Routine setzt sehe ich vielleicht auch wieder das ein oder andere Zeitfenster für Aufgaben, die sich nicht um mich und meinen Nahbereich drehen.

Carpe Diem

Ich hab keine Kristallkugel. Manchmal macht mich das sehr froh. So weiß ich nämlich nicht, ob ich 42 oder 95 Jahre alt werde. Die Kunst ist vermutlich, den Balanceakt zu finden, das Leben einerseits so zu führen, als hätte man nur noch ein paar gute Jahre. Und immer wenn ich lese, ein Mensch im besten Alter wird von einer Krankheit oder einem Unfall dahingerafft überlege ich mir sehr gut, was für mich wichtig wäre – was ich getan haben will wenn ich mit 42 schon auf dem Sterbebett läge, wer ich hätte sein wollen. Und andererseits könnte ich ja 95 werden und dann habe ich noch genug Zeit um die 18 Bücher zu schreiben deren Titelentwurf in meinem Notizordner sind und dann wäre auch noch genug Zeit um alle Windsurfstationen der Welt zu testen und überhaupt.

Vielleicht ist die Chance ewig zu leben ja wirklich zum Greifen nah, wie Spiegel und Zeit grade titelten. Und vielleicht sollten wir grade deshalb so leben, dass es auf dieser Welt lebenswert bleibt. Ob dann irgendwelche Idioten und Despoten auf die Idee kommen, alles in die Luft zu jagen haben wir nicht in der Hand. Wenn bis dahin mein Leben aber so weitergeht wie bisher kann ich nicht klagen.

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2017 – Rückblick und Ausblick. Oder so.

Hallo und – darf man noch wünschen oder? – Frohes Neues Jahr!

Der erste Blogbeitrag in diesem Jahr und generell der erste seit Langem. Das macht Druck. Also mir, albern aber wahr. Denn zu den vielen guten Vorsätzen die ich habe, gehört es auch wieder regelmäßiger zu schreiben. Also hier.

Ein paar Hindernisse gibt es noch: Als ich nämlich damals von wordpress.com zu meiner eigenen Domain gezogen bin wusste ich nicht, dass ich ab sofort auch für diesen ganzen Technikkram zuständig bin. Bei wordpress.com läuft Vieles wie von Selbst, Aktualisierungen etc. Jetzt muss ich das alles selber machen. Im vergangenen November rief ich also – naiverweise – bei meinem Host an und sagte, Plug-In xy mache wohl mal wieder Probleme, ob man das Löschen könne. Und statt mir zu sagen „Na gut, mache ich, aber eigentlich ist das jetzt ihre Aufgabe“ rächte sich der gute Mann einfach, in dem er mir mit dem problematischen Plug-In auch alle anderen löschte, plus die Möglichkeit überhaupt je wieder Plug-Ins zu installieren oder Fotos hochzuladen. Keine Ahnung wieso. Als ich darauf dann eine freundliche Mail schrieb und um Behebung des Problems bat forderte man meine Passwörter. Komischerweise waren die nicht nötig, als ich mit der Hotline telefonierte. Auf nochmal Hotline hatte ich aber kein Bock, wer weiß was als Nächstes passiert wäre, vielleicht hätte der nächste Mitarbeiter mir den kompletten Blog gelöscht.

Lange Rede kurzer Sinn, ich schau mich grad nach Jemandem um, der das alles für mich übernimmt und hab da auch ein paar Empfehlungen bekommen und kann mich hoffentlich bald auch wieder darauf konzentrieren, mit Freude zu schreiben.

2016

2016 ist um und war für mich ein sehr anstrengendes Jahr, praktisch wie emotional. Ich will da nicht im Detail drauf eingehen, aber um das Positive im Blick zu behalten: Ich habe daraus auch viel gelernt. Konsequenzen gezogen und Entscheidungen getroffen. Neue Projekte auf die ich mich freue und von denen ich euch die nächsten Tage nach und nach berichten werde.

Weihnachten und Sylvester haben wir gemütlich verbracht. Wobei zugegeben, gemütlich ist ein dehnbarer Begriff ^^. Will sagen: Weihnachten hat für mich wenig Stresspotential, ganz besonders seit ich Kinder habe. Der Fokus konzentriert sich nämlich auf diese und ich selber muss keine Gespräche über mich führen, falls ihr versteht was ich meine. Was weiterhin das Ganze sehr entstresst: Wir schenken uns nix! Also wir Erwachsenen. Die Kinder bekommen etwas, diesmal gab es viel Schönes über das sie sich freuten. Ein weiterer Entspannungsfaktor: Meine Eltern sind leidenschaftslos wann wir sie besuchen, der Termin bei meiner Tante steht seit Jahren und ja, darum war es alles in allem entspannt (gut, die aufgedrehten Kids selber…aber das versteh ich ja, dass das aufregende Tage für sie sind).

Noch kurz zu meinen Plänen (nicht Vorsätzen, auf den Unterschied komm ich ein andern mal zurück)

2017 werde ich:

  • beruflich neue, zu mir und meinen Qualifikationen aber auch zu meinen Lebensumständen passende Wege gehen
  • mit den Kindern zelten
  • hoffentlich noch mal Urlaub am Mittelmeer machen
  • meiner ehemaligen Grundschul- und meiner früheren Musikschullehrerin schreiben. So Oldschool als Brief
  • den Alltag mit Kindern etwas besser planen und strukturieren. 2016 lebte ich gefühlt von Tag zu Tag und war darum öfter gehetzt und schlecht vorbereitet.
  • anfangen, ein Buch zu schreiben
  • viele nette Menschen aus dem digitalen wie analogen Leben öfter treffen (auch das am besten mit Planung ^^)
  • mich ehrenamtlich engagieren
  • mehr loben, aufmuntern, mich („laut“) freuen

Empfehlungen

Eine Linkübersicht mit meinen Netz- und Blogfunden will ich wieder regelmäßig gegen Ende eines Monats posten, aber fürs neue Jahr hab ich noch zwei dicke Klickempfehlungen:

Die Corinne vom makellosmag kann man jetzt auch hören! Corinne schreibt seit längerem einen feministischen Lifestyleblog, hat den GrimmeOnlineAward gewonnen und schreibt jetzt ein Buch. Auch wenn sie nicht direkt verrät, worum es da geht, kann man es vielleiiiicht ahnen. Und wie das so ist mit dem Schreiben an sich, welche Hürden und Freuden das mit sich bringt, das erzählt sie wunderschön im Podcast. Die ersten zwei Folgen sind bereits da und hier verrät sie euch, wie ihr den Podcast abbonieren könnt.

Die liebe (kchkch) Frau Najn, die unter memyselfandchild bloggt und die Reihe #ohneVaeter führt hat jetzt einen Shop!!! Was man da kaufen kann? Die coolsten T-Shirts die man als Mutter so braucht:

So bald die Technik hier im Blog wieder läuft wie geschmiert verlose ich zwei Exemplare eurer Wahl!!!

So, macht es gut! Bis bald, Melanie

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Wie ein kleiner Internethype mich zum Nachdenken brachte

Irgendwann Ende letzter Woche startete ein neuer Internethype. Zumindest schien es in meiner twitter-Timeline so.

Tellonym ging an den Start. Dort kann man sich registrieren, den Link zu seinem Profil posten und dann Warten. Auf anonyme Kommentare. Wie bitte? fragt ihr vielleicht…also nochmal: Man registriert sich dort mit einem Benutzernamen und der E-Mail, dann postet man den Link zum Profil auf twitter oder Facebook und sagt in etwa: Hey, schreibt mir mal was ihr mir immer schreiben wolltet! Tja, warum sollte man das tun? Sowohl ein Profil dort anzulegen als auch – jemandem was zu schreiben.

Ich gebe zu: Ich bin relativ schnell auf den Zug aufgesprungen. Die ersten Erfahrungen mit tellonym waren jedenfalls nach dem was ich gelesen hab positiv-überrascht. Und dann dachte ich, ich probiers. Und ja, es kamen tatsächlich sehr nette Kommentare.  Ich wunderte mich etwas, nicht weil die Kommentare nett waren, sondern weil sie jetzt auch nicht sooo spezifisch waren, dass man denken könnte, jemand könnte so was nicht „in echt“ sagen. Also leider kamen keine Geständnisse wie „damals in der 7. Klasse fand ich dich soooo toll aber hab mich nicht getraut was zu sagen“

Und dann dachte ich: Ich schreib jede_r/m der einen Link zu tello postet direkt auf twitter was Nettes, ganz unanonym. Und dann fand ich auch das wieder doof. Und fing laut an zu denken. Also auf twitter. Und um das mal ein bisschen zu strukturieren sammel ich hier mal die Pro/Cons sowohl für tellonym als auch für „offen gezeigte Liebe“

Pro Tellonym:

Warum sagt man anderen Leuten (nette) Dinge lieber anonym als in echt? Und warum freut man sich drüber?

Also mir fiel es auf tellonym leichter auch Leuten nette Sachen zu sagen, die ich sonst nicht so gut kenne. Ich finde es bei Komplimenten immer schwer, ins Schwarze zu treffen. Ein gutes Kompliment ist für mich eins, dass die Person auch wirklich gut umschreibt.

Jemandem anonym was Nettes zu schreiben bietet einerseits die Gewissheit, dem anderen eine Freude gemacht zu haben. Andererseits gibt es einer auch die Sicherheit, dass das Gegenüber sich nicht genötigt fühlt zu antworten. Wer weiß,  vielleicht kennt mich dieses Gegenüber kaum, hat mich (wenn wir jetzt hier bei twitter bleiben) noch gar nicht zur Kenntnis genommen oder findet mich eigentlich doof? Dann sagt man da offen auf twitter was man so toll findet und das andere Menschi da weiß gar nicht wer Du bist? Tellonym bietet halt einfach ein bisschen die Möglichkeit Nettes zu sagen ohne den anderen in Verlegenheit zu bringen, selber zu reagieren, geschweige denn, selber was Nettes sagen zu müssen.

So war es nämlich auch ein bisschen bei den wirklich netten Komplimenten die mir einige schrieben: Alles Menschen die ich wirklich gerne mag, aber so spontan aus dem Stegreif was Nettes zu erwidern – puh, das erforderte einige Anstrengung meiner Gehirnzellen. Nur ein bisschen und ich glaube ich habe immer eine passende und wirklich Ernst gemeinte Erwiderung finden können. Ich  musste auch ein bisschen grübeln, denn offensichtlich bin ich selber nicht so die überschwenglichste in Sachen Komplimente verteilen. Und so finde ich es einerseits schade, dass sich viele nur in der Anonymität trauen, was Nettes zu sagen, kann es aber auch sehr gut verstehen. Und: vielleicht ist es auch das:

Viele sagten dann: Aber ich sag immer offen was Nettes! Für manche braucht es aber vielleicht einen Anlass. So wie ich den Mann auch meistens ganz nett finde, ihn aber nicht jeden Tag zum Essen einlade, sondern nur am Jahrestag, oder seinem Geburtstag…falls ihr versteht (nein, um was nettes zu sagen brauchen der Mann und ich wirklich keinen Anlass, aber nicht jedem steh ich so nahe).

Und jetzt zu den „Gegenbewegungen“: Einige – ich auch – gingen dann in die Vollen und wollten ihre Nettigkeiten lieber direkt sagen. Fand ich am Anfang auch ne gute Idee…

#Tellosönlich #Opentell #tellopen

Diverse Hashtags (das sind diese Worte mit dem # davor ^^) kamen auf. Welches sich jetzt zuletzt durchgesetzt hat weiß ich nicht. Dort sagen also (ich bin immer noch auf twitter) Leute anderen nette Dinge. Ganz offen. Wie gesagt, am Anfang fand ich eine schöne Idee…

Dann klopfte (hier herzzerreißendes gif einsetzen ) mein komplexbehaftetes, selbstmitleidiges früheres Teenie-Ich an, dass in den frühen 90ern den anderen Kids beim Sammeln und Verteilen von Diddl-Karten zusah. Für die, die den Hype nicht mitbekamen: Diddl-Karten waren so eine Art Währung jugendlicher Zuneigung unter – hauptsächlich – Mädchen. Ich beobachtete sehr genau, wer wie viele Diddl-Karten bekam und von wem. Zwei Dinge stellte ich damals ebenso wie bei #tellopen fest:

  1. Der Teufel scheißt auf den größten Haufen.

Die Klassenlieblinge waren schon beliebt und bekamen ihre Zuneigung in Diddl-Karten noch mal ausgezahlt. Ist logisch und nicht meine Kritik, ich finde es einfach nur ein wenig…redundant.

2. Die meisten stehen ungesehen am Rand und gucken zu.

Ja, verdreht ruhig die Augen oder glaubt aus mir spreche der Neid. Aber seid beruhigt: Ich habe meinem früheren Ich über den Kopf gestreichelt und ihm gesagt, dass hat nichts mit Dir zu tun (jedenfalls nicht das, was man mit 12 so denkt). Aber zum einen denk ich: Puh, wen vergess ICH denn, wenn ich jetzt versuche meiner Timeline gerecht zu werden und allen, die ich mag, was Nettes zu sagen? Die Wahrscheinlichkeit, dass ich grade die vergesse, die leise Töne anschlagen ist sehr hoch. Dabei fände ich es nur gerecht, nein nötig, den Introvertierten und leisen mal ganz  laut zu sagen, wie sehr sie meine Timeline bereichern.

Wie fühlen sich all die, die warum auch immer grad am Rand stehn und zugucken? Auch da kann man Einwände gegen bringen oder die Augen verdrehen, aber mir macht das Bauchschmerzen.

Und wie viel Zeit geht dabei drauf? Wenn ich wirklich allen was Nettes schreiben wollte?

Und zuletzt auch die Frage: Was will ich eigentlich zeigen/beweisen, wenn ich auf diesem Wege, also ganz öffentlich Komplimente mache? Nicht dass ich hier allen niedere Beweggründe unterstelle, überhaupt nicht, aber will ich damit nicht auch ein bisschen Aufmerksamkeit auf mich lenken? Mich beliebt machen? Nein, das ist es nicht bei allen, aber ganz ausschließen kann mans wohl auch  nicht hier und da.

Hass durch tello?

Einige äußerten Besorgnis, dass negative Kommentare grade durch die Anonymität gefördert werden. Grade diejenigen, die damit auch bereits Erfahrung gemacht haben. Mein Eindruck ist: Ja, doofe Kommentare und Beleidigungen gab/gibt es auch, aber eine große Hasswelle hat es meines Wissens nicht gegeben. Dazu diesen tollen tweet und folgende:

Und jetzt wäre ich gespannt: Könnt ihr die Gedanken nachvollziehen? Oder klingt das für euch nach Teenie-mimimi? Seid ihr selber eher sehr ausdrucksstark was Komplimente und Nettigkeiten angeht oder fällt es euch selber schwer, Positives zu äußern? Wirklich, mich interessiert dieses Phänomen!

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