triggerwarnung für betroffene sexualisierter gewalt – ich erzähle von einer performance und meinem gespräch mit der künstlerin, derailing inbegriffen…
letzte woche machte mich @danisojasahne darauf aufmerksam, dass auf dem chlodwigplatz bei mir um die ecke ein typ mit einem schild steht, auf dem „ich bin ein ver*ewal*iger“ zu lesen ist. sie bekam herzrasen, bis sie ein kamerateam gesehen hat.
am selben abend ging ich später mit meinem freund zur haltestelle am chlodwigplatz. aus dem augenwinkel sah ich an einem baum weiße unterwäsche liegen, die mit (kunst-)blut beschmiert war, an einem anderen baum hingen nackte plastikpuppen. wir waren auf dem weg zu einer verabredung, deshalb hab ich nicht genauer hingeschaut, aber es schien eine performance zu sein.
vorgestern, freitag abend war ich wieder auf dem weg zur haltestelle. sagen wir, es war eh nicht mein tag, es regnete außerdem in strömen und war kalt. ich sah wieder die plastikpuppen, hörte aus einem lautsprecher den klang eine kinderstimme die leicht abgehackt sowas sagte wie: „bitte. helfen. sie. mir“ aus einem anderen lautsprecher kamen zahlen, ich glaube soundsoviele kinder (mädchen?) werden opfer sexualisierter gewalt, darunter ein schild mit der dunkelziffer. auf dem chlodwigplatz selber dann ein dreieck aus einem vorhang mit gucklöchern. dahinter sah man einen riesenberg kuscheltiere aus dem die beine einer frau in netzstrümpfen ragte. und ein mann, der mit messern auf am boden liegende puppen warf. – das war, was ich in diesen ca. 3 minuten sah.
ich blickte mich um, ob man aus der kleinen menge publikums jemanden erkennen konnte, der zu dieser „performance“ gehörte. eine frau im regenmantel stand da offensichtlich nicht zum vergnügen rum. ich sprach sie an.
vorweg: ich kann von glück sagen, nie sexualisierte gewalt erlebt zu haben. eine menge übergriffiger situationen von typen, ja. aber nie hab ich mich hilf- oder machtlos fühlen müssen. von daher WEISS ich natürlich nicht, wie es betroffenen geht, die am freitag abend, im dunklen, bei regen, auf ihrem weg von der arbeit, in die kneipe, zu bus oder u-bahn oder sonstwas in diesem öffentlich raum unterwegs sind, und in diese performance platzen. aber ich hatte bedenken und äußerte die nun gegenüber dieser person gegenüber. sie gab schnell an, nur für die presse- und öffentlichkeitsarbeit zuständig zu sein und rief eine der künstlerinnen hinzu. ich wiederholte meine bedenken.
da ich relativ schnell sehr aufgebracht war, kann ich den ‚dialog‘ nicht in der richtigen reihenfolge oder in der vollständigkeit wiedergeben, hier also o-töne, wie ich mich daran erinnere:
Ich: „ich find es ja NETT, wenn kunst im öffentlichen raum statt findet und leute wachrütteln soll. aber sie haben sich sicher gefragt, wie es betroffene sexualisierter gewalt gehen könnte, die hier so unvermittelt in diese performance reinplatzen und was das mit ihnen macht…“
Künstlerin: „wir haben ja warnhinweise angebracht“ (!!!! laminierte schilder im DIN A4 format, die man nicht lesen konnte – es war dunkel, durch die lichter der angrenzenden ladengeschäfte reflektierte das laminierte und die schrift war kaum größer als 24punkt)
ICH: „steht auf diesen schildern eine nummer, an die sich betroffene wenden können, wenn sie mit dieser situation nicht klar kommen?“
KÜNSTLERIN: „wir gehen davon aus, dass solche leute entsprechende nummern kennen“
ICH: „betroffene geraten plötzlich in diese situation, haben sie leute dabei, psychologisch geschultes personal?“
KÜNSTLERIN: „wir haben hier leute, die aufpassen, das nichts passiert“ (äh, als ich später wutschnaubend richtung haltestelle abdampfte, kam niemand hinter mir her, um zu gucken, ob ich in die bahn steige, oder mich davor werfe…)
ICH: „nicht jede person würde wahrscheinlich offensichtlich reagieren. wie wäre es denn, wenn sich die betroffene jetzt eine woche zu hause einschließt, und das haus nicht mehr verlässt oder schlimmeres tut, darauf haben sie doch gar keinen einfluss?“
KÜNSTLERIN: „ja, aber die könnte ja auch hinter der nächsten ecke überfallen werden oder was erleben, was ihr nicht passt“
ICH: „ja, aber SIE stehen nicht mit ihrer performance hinter der nächsten ecke, sondern genau HIER und deshalb frage ich sie“
KÜNSTLERIN: „in der bildzeitung steht auch ständig irgendwas mit vergewaltigung, im fernsehen sieht man sowas ja auch ständig“
ICH: „ja, aber die bild muss ich mir nicht angucken, den fernseher kann ich auslassen oder wegzappen. an ihnen kommt man hier nicht vorbei, wenn man zur haltestelle will oder eben dahin, wo man grade hinwill“
…
es gab sicher noch einiges, ich weiß nicht, ob ich mir die mühe mache, nochmal ausführlicher an die künstler schreiben oder einen leserbrief an die lokalzeitung schreiben soll – der kölner stadtanzeiger hat hier über die performance berichtet. vielleicht ist diese performance ja auch voll geglückt, aufrüttelnd und ich bin einfach überempfindlich.
EDIT: habe einen tag später noch das äußerst hilfreiche warnschild abfotografiert: