Ich habe nie Zeit. Ich bin wie das weiße Kaninchen aus Alice im Wunderland. Immer hinterherhetzen: Einer Deadline, einer Bewerbung, einer Fortbildung. Immer noch was oben drauf packen:
Das Studium reichte nicht, ich musste mich parallel noch an der FernUni einschreiben. Könnte ja was bringen. Und den Nebenjob aufstocken, 14 Stunden/Woche…19 Stunden/Woche. Klar, es gab auch die Tage, an denen ich einfach im Bett lag und Serien guckte. So als Ausgleich. Aber Langeweile? Hatte ich nie.
Auch jetzt mangelt es mir nicht an Ideen und Möglichkeiten, meine Zeit auszufüllen.
Wären da nicht die Kinder.
Grade bei diesem Wetter, wo man oft gezwungen ist, in der Wohnung zu hocken. Mit Kind1 könnte ich ja Memory spielen, aber Kind2?
Ich habe ja schon bei Minime lernen müssen, dass alles etwas langsamer geht. Seit Cashews Geburt geht es halt noch langsamer. Ich versuche eine Tugend draus zu machen.
Spülmaschine mit Kind2 ausräumen: 20 Minuten Zeit rum. Mit Kind 2 die Küche saugen (er lieeeebt den Staubsauger): 15 Minuten rum. Den Küchenboden wischen: 30 Minuten (Kind2 nimmt den Lappen aus dem Wassereimer, wirft ihn auf den Boden und anschließend zurück in den Eimer – ich wische). Und tadaaaa ist der Haushalt auch gleich erledigt!
Ich habe ihm auch schon mal erlaubt, die Vorräte aus dem Küchenschrank auf den Küchentisch zu tragen und wieder zurück – wieder 20 Minuten um. Und zum Schluss bekommt er den Föhn, damit kann er sich so lange beschäftigen, bis er heiß gelaufen ist und ich ihn unter Protest (Geschrei!) wieder wegschließen muss.
Kind1 ist inzwischen anspruchsvoller: Da muss Input her! Deshalb ist Draußensein eigentlich das Schönste. Aber wie gesagt: Wetter…
Neulich stapften wir durch den Matsch, Minime, Cashew auf meinem Rücken und ich. Ich hatte ihn von seiner Kindergartenfreundin abgeholt und es war kalt und nieselig. Ich wollte schnell zur Bahn. Da kamen wir an einer Apotheke vorbei, wie es sie fast nicht mehr gibt: Mit einer echten Eisenbahn im Schaufenster. Mit mehreren Lokomotiven, Tunnel, Feuerwehrautos mit Blinklichtern – und Bewegungssensor am Fenster. Ich sah es aus den Augenwinkeln und dachte nur: Oha, schnell dran vorbei! Aber natürlich blieb Minime wie angewurzelt stehen. Die Bahn fuhr hinter uns vorbei und ich war erst waaaahnsinnig ge-nervt. Aber dann hörte der Nieselregen auf, Cashew auf meinem Rücken fühlte sich warm an und wir standen eine gefühlte Ewigkeit am Fenster.
Vielleicht waren es nur 10 oder 15 Minuten (weil es schon recht spät war, rief ich dann doch zum Aufbruch), aber wir alle drei waren so darin versunken, den Eisenbahnen zuzuschauen, dass es sich wie ein Wimpernschlag anfühlte. Und ich merkte, wie ich mich beim Warten entspannte und einfach losließ.
Kinderlose müssen dafür teuer Geld in Meditationswochenenden investieren, wir brauchen nur ein Schaufenster.