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Mental Overload

Wenn mich jemand fragt, warum ich blogge, dann fällt – neben meinem unbremsbaren Mitteilungsdrang – schnell der Satz: Ich möchte Steine ins Rollen bringen…wenn ich Leute nicht  nur zum Lachen und Schmunzeln bringe, sondern auch dazu über bestimmte Alltagsrealitäten oder gesellschaftliche Zustände nachzudenken – dann grinse ich im Kreis! So geschehen, als mir Simone vom liebevollen Blog Pluripara mitteilte, dass der Text über Familienmanagement bei ihr und ihrem Partner viel angestoßen hat. Danke! Und ich freue mich dafür, dass sie diesen Anstoß und was darauf folgte, mit mir und euch teilen wollte:

Gastartikel von Pluripara

Es gibt ja Nachrichten, die verschickt man mit so ein bisschen Herzklopfen. Neulich zum Beispiel, da habe ich meinem Mann drei Links zugeschickt.
Warum mir dabei die Düse ging und welche Links das waren, mag ich gern erklären.

Nach der Geburt der Zwillinge nahm mein Mann 4 Monate Elternzeit. Er genoss diese Zeit nach eigenen Aussagen sehr, fand sie aber gleichzeitig auch extrem anstrengend. Obwohl er nicht zu den Männern gehört, welche die Organisation des Haushalts und die Kindererziehung als lapidare Beschäftigung abtun, hat ihm diese Elternzeit noch mal deutlich gemacht, was für eine Mammutaufgabe es ist, einen Haushalt mit allem drum und dran und drei Kinder unter drei Jahren zu versorgen. Ich war von der Geburt körperlich und seelisch so angeschlagen, dass ich ihm in dieser Zeit kaum zur Hand gehen konnte. Er war hauptsächlich verantwortlich.
Die Elternzeit endete, ich kam langsam wieder auf die Beine. Mein Mann arbeitete wieder Vollzeit und ich übernahm das Familienmanagement. Alles schön? Weit gefehlt.

Orga und Absprache sind alles

Orga und Absprache sind alles

Mich überkam eine nie gekannte Erschöpfung

 Die sich jedoch nicht von jetzt auf gleich äußerte, sondern ganz schleichend Einzug hielt. Ich konnte kaum in Worte fassen, was mich eigentlich so anstrengte. Die Kinder? Der Haushalt? Einkäufe? Ich rannte durch den Tag, ständig in Bewegung, im Kopf tausend Dinge. Abends war ich so müde, dass ich nicht mal mehr in der Lage war, mit Freunden zu telefonieren oder etwas für mich zu tun. Ich funktionierte. Mehr nicht. Das Problem blieb, dass ich nicht in Worte fassen konnte, was nicht stimmte.
Die Krux dabei war: Bekam ich Anerkennung von außen, zum Beispiel in Äußerungen wie: „Toll, wie du das alles schaffst“, fühlte ich mich gut und dachte: „Siehst du, es lohnt sich aber doch auch alles!“. Und so sehr ich mich über dieses Lob freute, desto schwerer fiel es mir zuzugeben, dass ich zwischenzeitlich am Limit war und nicht mehr konnte. Ich hätte die so bitter nötige Anerkennung selbst geschmälert.

Mein Mann bemerkte meine anhaltende Erschöpfung und wir beschlossen, uns anders aufzustellen. Ich habe dazu hier etwas geschrieben.
Dadurch besserte sich vieles. Im Alltag fühlte ich mich strukturiert und entlastet. Eine grundsätzliche Erschöpfung blieb jedoch und ich fing an, diese als normal zu akzeptieren. Sie hatte sich manifestiert. Ich glaube mittlerweile, dass dies der gerade Weg in einen Burnout ist. Diese Alarmzeichen, die ignoriert werden. Einen Ausfall kann man sich schlichtweg nicht leisten. Und mit genau dieser Einstellung ebnet man sich den Weg zum Ausfall.

Wir redeten

Dann kamen mir der Emma-Comic und die dazu passenden Blogartikel von Melanie und DasNuf vor die Augen. Und es machte Klick. Deutlicher konnte gar nicht ausgedrückt werden, was der Kern meiner Erschöpfung war. „Mental load“- Dauerschleife.
Ich schickte genau diese drei Links mit Herzpochen an meinen Mann. Er reagierte prompt: „Lass uns unbedingt darüber reden. Noch heute.“

Am Abend zogen wir Bilanz. Und mein Mann bestätigte all das, ohne dass ich mich selbst zu den Artikeln geäußert hatte. Er, der selbst so großen Wert auf gleichberechtigte Partnerschaft legt, hatte genau diese Sätze geäußert: „Wenn ich was machen soll, sag Bescheid.“ Er hatte sich in eine Bequemlichkeit geflüchtet, eine Zuversicht im Stile von „Sie macht das schon“ und konnte plötzlich selber nicht glauben, dass er sich in dieser Ecke eingerichtet hatte. Er gefiel sich definitiv nicht in der Rolle des „Underling“, viel mehr wollte er mitgestalten, informiert sein und selbstverantwortlich agieren.

Ich selbst hatte meinen Anteil dazugesteuert

Indem ich mit meinem Perfektionismus und den Ansprüchen an mich selbst zu eigen war, um sein Tun einzufordern. Ich rede hier nicht von maternal gatekeeping. Ich rede davon, dass ich schlichtweg nicht den Mund aufgemacht habe. Vielleicht aufgrund meiner Erziehung? Vielleicht, weil ich im Grunde meines Herzens zugeben musste, dass ich doch gerade„nur Hausfrau und Mutter“ war und es mir doch nicht ernsthaft zuviel sein konnte? War diese abschätzige und so grundlegend falsche Haltung doch viel mehr ein Teil meiner Selbst, als ich es mir eingestehen mochte?
Wir installierten noch am selben Abend die Wunderlist auf unseren Handys, um unsere Wochenplanung zu unterstützen.

Wir sprachen konkrete Beispiele im Alltag an, bei denen wir etwas ändern konnten. (Benutztes Geschirr sofort in die Spülmaschine räumen oder die Schmutzwäsche schon mal mit in den Waschkeller nehmen, wenn man sowieso runter muss). Wir besprachen, wer nun für welchen Haushaltsbereich verantwortlich ist (und warum eigentlich?) und ob dies von uns als gerecht empfunden wird oder nicht.
Wir sind nun noch in der Versuchsphase. Eine erste positive Zwischenbilanz ziehe ich trotzdem schon. Es ist so erleichternd, das Gefühl zu haben, dass jemand mitdenkt.

Beispiel: Meine Freundin hat in Kürze Geburtstag und sich etwas ganz Bestimmtes gewünscht. Ich habe es in die Wunderlist eingetragen. Und ohne, dass ich mich dazu weiter äußern musste, hat mein Mann das Geschenk bestellt, denn er hatte an dem Vormittag kurz Zeit sich an den Rechner zu setzen und war nun informiert, dass Notwendigkeit besteht. Ich bekam eine Benachrichtigung und freute mich sehr. Ein Punkt, um den ich mich nicht kümmern musste. Normalerweise hätte ich nämlich nicht danach gefragt, ob er sich kümmert und er hätte eben auch nicht gefragt, weil es ja meine Freundin ist (Und ja, da gehört ein gewaltiges Fragezeichen hinter!!) und es wäre meine Aufgabe, ohne das jemand von uns beiden es hinterfragt hätte.
Die Kunst ist natürlich nun, das digitale Management beizubehalten um die guten Vorsätze nicht einreißen zu lassen. Wir werden das üben müssen. Es macht mich etwas traurig, dass wir in diese Falle getappt sind und das, obwohl wir beide Wert darauf legen, eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen. Gleichzeitig bin ich froh, dass das Problembewusstsein geweckt wurde.
Ich möchte zuversichtlich sein. Und ich hoffe, dass ganz viele Paare ihre Beziehung auf ihren „mental load“ durchleuchten.

Nachtrag:

Mein Mann hat eben den Text gelesen und sich gewundert, über welches Geschenk ich da geschrieben habe.
„Ich hab nix bestellt. Was meinst du?“
„Du hast doch in der Wunderlist die Erledigung abgehakt.“
„Öh ja, ich dachte es bedeutet, dass ich ihr zum Geburtstag gratulieren sollte.“
„Nein, darunter steht doch, was besorgt werden muss.“
„Oh. Das hab ich nicht gesehen. Warte, ich geh schnell hoch uns bestelle es.“

Ich lasse das mal so stehen. ☺

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Familienmanagement

Vor ein paar Tagen sah ich diesen sehr treffenden Comic, in dem es darum geht, was es heißt, sich „alleine“ um alles zu kümmern – trotz Beziehung:

What our partners are really saying, when they ask us to tell them what needs to be done, is that they refuse to take on their share of mental load“

Jedes Mal, wenn ich wieder irgendwo „Maternal Gatekeeping“ höre, werde ich jetzt den Link zu diesem Comic verschicken.

Er macht sehr gut deutlich, dass es beim „mental load“ um weit mehr geht, als Windeln zu wechseln oder die Spülmaschine auszuräumen oder das Kind in den Kindergarten zu bringen.

Es meint daran zu DENKEN, dass die Windeln bald leer sind und für den Kindergarten auch neue mitgebracht werden müssen. Es meint, daran zu denken, dass man neue Spülmaschinentabs braucht und das Kind am nächsten Tag eine halbe Stunde früher im Kindergarten sein sollte als sonst, weil der Verkehrspolizist kommt. Es meint den nächsten Kinderarzttermin auf dem Schirm zu haben, das Geschenk für den Kindergeburtstag und die Nummer der Mama vom Kindergartenfreund, mit der sich das Kind nächste Woche treffen möchte. An den Elternabend zu denken und daran eine Babysitterin für die Einladung am Wochenende zu organisieren.

Kalender

Familienmanagement – ein kleiner Auszug aus unserem Papierkalender. Der ergänzt wird vom GoogleKalender und von Wunderlist

Mental load meint nicht nur, die Wäsche zu waschen und aufzuhängen und einzuräumen. Sondern auch die Kleidergrößen der Kinder im Blick zu haben und neue Anziehsachen zu organisieren sowie die Sachen die zu klein geworden sind einzupacken, zu verkaufen oder zu verschenken.

Was ich sagen will: Während mir auf twitter ein „aktiver Vater“ erklärt, dass er die im Comic dargestellten Rollenbilder total übertrieben findet, er selber natürlich nicht so ein Exemplar ist und auch kein solches kennt und das voll unfair findet wo er grad zwischen Wäsche und Windeln hin und her läuft…da finde ich: Ja, vielleicht ist es übertrieben dargestellt. Aber auch ich habe auf Kindergeburtstagen Väter erlebt, die über irgendwas fachsimpeln, während die anwesenden Mütter Getränke einschütten und aufwischen, Nasen putzen und mit den Kindern aufs Klo gehen.

„Man muss halt Bedürfnisse kommunizieren“ hallt es mir dann auf twitter entgegen. Ja, bin ich großer Fan von. ABER: Wer muss kommunizieren? Di_er mit dem Problembewusstsein oder? In dem Comic hat der Vater kein Problem. Und wenn die Mutter dann äußert, dass da was schief läuft, bekommt sie zu hören „Du musst ja nur was sagen“. Genau DAS ist ja das Problem. Das da Jemand keine Notwendigkeit hat, kein Problembewusstsein. Läuft ja alles.

Vergleichen kann man das ganz gut mit der beruflichen Situation, die bestimmt fast jede_r kennt: Die eine Kollegin/der eine Kollege, der die Arbeit einfach nicht „sieht“. Die naheliegendsten Aufgaben, die einfachsten Sachen. Der nicht ans Telefon geht, wenn es klingelt, Infos nicht weitergibt oder im Meeting nicht nachfragt, wenn er was nicht versteht und dann das ganze Projekt verbaselt. Und dann sagt „Hat mir ja keiner gesagt…“.

Ja, der Comic ist verallgemeinernd. Nein, nicht alle Männer sind so. Schon gar nicht von „Natur“ aus.

Familienmanagement like a pro

Dann mal Tacheles, wie das hier läuft: In Sachen Haushalt habe ich keinen Partner der „mithilft“. Ich habe einen, der seinen Teil vom Ganzen macht. Da muss ich nicht auffordern oder ansagen. Wenn er da ist, übernimmt er auch Kinderarzttermine oder das Frühlingsfest. Wenn ich weg fahre koche ich nicht vor oder kaufe ein oder, oder, oder.

Ja, das knirscht manchmal im Getriebe. Denn: Logistisch wäre es oft einfacher, ich übernähme ALLES was an Familienmanagement anfällt. Der Mann ist halt beruflich auch viel abwesend. Aber: Mir ist wichtig, dass er mitDENKT und wenn sich das nur darin äußert, dass er nachfragt: Was kaufen wir Kind1 zum Geburtstag? Soll ich nach der Arbeit noch einkaufen? Was brauchen wir noch für den Urlaub?

Alleine das entlastet schon. Nicht allein verantwortlich zu sein.

Für das Management helfen uns: Der Familienplaner, der neben der Eingangstür hängt. So guckt man beim Rausgehen immer mal wieder drauf. Dann haben wir digitale Kalender. Einen für seine Termine, einen für meine und einen für die Kinder.

Und seit einigen Wochen probieren wir noch die Wunderlist-App. Für Einkaufsliste, To Do Liste (eine allgemein, eine für den Urlaub, eine für das nächste Event (Kindergeburtstag, Einschulung…).

Es klappt, mal mehr mal weniger. Auch wenn einige Aufgaben irgendwie schon organisatorisch an mir hängen bleiben, sich meine Arbeitszeit immer nach den Kinderbetreuungszeiten und den Arbeitszeiten des Mannes richten – Familienmanagement ist Teamwork.

Zum Weiterlesen: Mental Overload und Mental Re/Load

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