dass mein vertrag nicht verlängert wird, weiss ich schon relativ lang. man könnte spekulieren, wieso er nicht verlängert wird, aber das lassen wir mal lieber. in knapp sechs wochen bin ich arbeitslos, und auch wenn es mir nicht die laune im alltag verdirbt, läuft in meinem hinterkopf ständig ein filmchen mit folgenden szenen:
1. rückblick. sommer, sonne, blauer himmel – steht für die zeit der abiturklasse, als die welt noch groß schien, ich könnte alles werden, die welt liegt mir zu füßen, wohin soll es gehen – ausland, großstadt, hauptsache raus. hauptsache studieren, möglichst was exotisches, mal was ganz anderes…
2. klischeehaft ziehen ein paar wolken auf…bafög-anträge rauben den letzten nerv, auslandsstudium ist auch nicht so mit den 50 mark damals auf meinem sparbuch zu finanzieren. dieses magisterding ist abstrakt, mich ergreift mit studienfach ethnologie die panik (wo bitte, gibt es denn noch völker die unbekannt sind und will ich überhaupt diese ethnoromantik aufrecht erhalten und in ein museum irgendwelche waffen beschriften, die ich im amazonas ausgegraben habe, nein danke!) und ich werd erstmal: sozialpädagogin. in bochum. tschüss weite welt. ich hänge noch einen master an der rub dran, es macht spaß, dauert auch wieder nur vier jahre, das geld muss trotzdem irgendwo her…cut.
3. gegenwart. wer hier schon etwas mitgelesen hat, weiß wie die aussieht. die suche nach einem neuen job ist in meiner lebenssituation die suche nach der eierlegenden wollmilchsau. alles mögliche muss bedacht werden. im januar gab es zwei stellenausschreibungen, die fast zu schön klangen, um wahr zu sein. bewerbung los geschickt und nicht mal ne einladung zum vorstellungsgespräch. eine der stellen war am 23.12.11 ausgeschrieben, bewerbungsschluss der 02.01.12, nachtigall ick hör dir trapsen. die absage für die zweite kam letzte woche. LETZTE WOCHE. öffentlicher dienst, ey.
weitere szenen in endlosschleife:
– was bedeutet mir arbeit überhaupt, welchen stellenwert hat sie für mich, was ist ‚gute arbeit‘ und welche abstriche kann ich machen, will ich machen, muss ich machen? ich bin ein klassisches beispiel dafür, was man in der soziologie ’subjektivierung der arbeitskraft‘ und so nennt – ich möchte mich, meine persönlichkeit und meinen gelderwerb nicht voneinander trennen müssen. dass was ich tue soll spaß machen und sinnhaft sein, irgendwas mit selbstverwirklichung, gutes tun, kreativ sein und so. ein bisschen naiv, vielleicht, zumal ich gelernt habe, das überall mit wasser gekocht wird. und irgendwo einfach mehrwert für andere erzeugen, also geld, kapital, das steht jetzt nicht so oben auf meiner wunschliste.
– frust bei der aktuellen tätigkeit. tja, eigentlich sind meine ansprüche an das, was ich tue sehr hoch. aber ohne anerkennung und ohne zukunft fällt es mir sehr schwer, vollen einsatz zu bringen. ihr wisst schon, das gewisse quäntchen mehr als nötig, freude, engagement, auch mal über ‚die übliche arbeitszeit hinaus‘. diese art von professionalität muss ich mir wohl erst noch antrainieren.
– vollzeit oder teilzeit, ausschließlich hier in köln, weiter weg oder was? ohne kind waren das punkte, über die ich nicht nachdenken musste. ein umzug wäre drin gewesen. andererseits: ich bin in der vergangenheit so oft umgezogen, wegen des studiums, wegen der liebe, ein halbes dutzend städte, zwei länder. ich will auch mal bleiben. momentan pendel ich insgesamt 4 std und mehr pro bürotag. ich bin also durchaus ‚mobil‘. aber nicht für irgendnen sch*ßjob. die fahrerei, egal ob mit auto oder bahn, ist stressig. und 12 std am tag will ich nicht außer haus sein. wenn kind und geld keine rolle spielen würden, hätte ich gern eine 25std woche. denn egal wie schön der job wäre, ich will zeit mit dem kind verbringen, ich will zeit für meine hobbies, herzensprojekte und dafür, einfach bei sonne im park rumzuliegen. ich möchte aber auch genug arbeiten, um ab und zu zu denken: ach, jetzt im park/bett liegen, das wär schön. aber das geld muss irgendwoher, für das abbezahlen von bafög und bildungskredit, das jugendamt und die tagesmutter. vollzeit hieße aber auch: zusätzlich zur tagesmutter (mo-do bis halb drei) muss noch irgendwo ein kindermensch oder babysitter her. noch mehr ausgaben. argh. und ja, grade auch wenn es ums geld geht, geht es auch darum, wie die rollen in der beziehung verteilt sind, machen wir uns nichts vor. und sicherheit…nahezu fast alle ausgeschrieben stellen sind befristet. mal ein jahr, mal drei. und dann wieder von vorn?
– wo will ich hin? als – für mich – klar war, ich bleibe bis zum abschluss der promotion und optimalerweise auch danach an der uni war die antwort einfach. gleichzeitig hatte ich immer großartige ideen, was so als plan b – z ginge: musikjournalistin, dramaturgin, therapeutin, schriftstellerin, diversitymanagerin…tja, und wenn es dann konkret darum geht, wie es weiter geht und womit sich geld verdienen lässt – ähhh. genau. spaß machen mir viele dinge, damit geld verdienen möchte ich nicht unbedingt müssen.
– was will ich haben, wer will ich sein? denn ja, ich definiere mich schon sehr über das, was ich tue um geld zu verdienen. was im kontrast zu meiner ‚rationalen‘ haltung steht, dass lohnarbeit in dieser gesellschaft überbewertet wird, reproduktionsarbeit zu wenig anerkannt und die arbeit ‚an sich selbst‘ zu kurz kommt. und was will ich mit dem verdienten geld mal anfangen? momentan wie gesagt, rückstehende und laufende kosten bezahlen, schon klar. aber wenn was zum sparen bleibt – wofür? haus, auto, weltreise? oder immer so auf kante verdienen? bin ich ein hausmitgarten-typ? bin ich mehr so der 1994bulli oder der t5-mensch…
– familienplanung: ja, eigentlich will ich noch ein kind. was das dann aber für all das o.g. hieße – hey, neuer arbeitgeber, ich bin zwar grade erst 8 monate hier, aber schwanger, freuen sie sich denn gar nicht? ich weiß in 4 monaten läuft mein vertrag aus, aber der wird doch bestimmt verlängert, gell, ich bleib auch nur 7 oder 8 monate zu hause ist das nicht einsatz? dann aber vermutlich teilzeit, weil sie wissen ja, ein kind ist immer krank und wenn nicht das kind, dann die tagesmutter oder ich oder die kita macht wieder dicht, wegen scharlachepidemie. mäh.
aber hey, kopf hoch. es wird weiter gehen, ist schon klar. ich bin optimistisch. aber arbeit, das wollt ich mal sagen, sah für mich in der ersten szene, vorm abitur, anders aus. und auch wenn ich ihn für den wiedereinstieg nach elternzeit aufgenommen hab, mein backtowork-mix passt auch jetzt.