20. Oktober 2015 · 10:04 pm
Ich habe mir immer vorgenommen, Tacheles mit meinen Kindern zu reden. Keine Bienen und Störche wenn es ums Kinderkriegen geht, keinen Gott und Himmel wenn es um den Tod geht – nur mal so als Beispiel. Natürlich wollte ich auch nicht zu viele Details oder Komplexität. Sondern einfach sachlich, kindgerecht und möglichst nah an der Wahrheit bleiben.
Die Uroma ist tot
Im Frühjahr, da war Minime grade 4 Jahre alt, starb seine Uroma. Sie hatte das, was man ein stolzes Alter nennt, sie starb nicht überraschend. Man war traurig, aber gefasst. Wir wollten zur Beerdigung und wir wollten Minime mitnehmen. Ich halte nichts davon, Kinder von Beerdigungen auszuschließen (gewisse Umstände mal abgesehen).
Die Beerdigung fand in einem Wald statt. Die Uroma wollte verbrannt werden und ihre Urne sollte, wie schon die ihres Mannes, unter einem Baum beerdigt werden.
Wir sprachen mit Minime vorher: Die Uroma ist tot. Sie war sehr alt und dann müssen Menschen sterben, damit Platz für neue, kleine Menschen ist.
Vieles über den Tod wusste Minime schon aus dem Buch „Und was kommt dann? Das Kinderbuch vom Tod“ von Pernilla Stalfelt. Ich mag das Buch, weil es sachlich, kindgerecht und fast witzig dieses Thema angeht.
Die Beerdigung nahm Minime gelassen hin. Wir erklärten ihm, dass Uroma nicht mehr wiederkommt und ab jetzt unterm Baum bleibt. Minime nickte, wiederholte und hörte ruhig den Reden zu Uromas Begräbnis zu.
Die eigene Vergänglichkeit begreifen
Die Beerdigung ist jetzt ein halbes Jahr her. Seitdem sprach Minime nicht mehr darüber. Oder über Sterben und Tod generell. Außer in dieser unbedarften Art, in der Kinder manchmal spielen und die uns ganz furchtbar erscheint. Dann kommt Minime mit irgendwas wie einem Stock, der für ihn ein Schwert oder eine Pistole ist und ruft: „Mama, Papa, ich schieß euch und dann seid ihr tot!“.
Vor ein paar Tagen war Minime mit dem Mann beim Aufräumen im Kinderzimmer. Recht unvermittelt fragte er: „Papa, wirst Du auch mal ein alter Opa?“ Der Mann war etwas irritiert, aber antwortete „Ja, wahrscheinlich“ Da fing Minime an zu weinen.
„Papa, ich will nicht dass Du ein alter Opa wirst. Dann stürbst Du und wir haben keinen Papa mehr!“
Die beiden kamen zu Cashew und mir in die Küche. „Mama, ich will nicht dass Du eine alte Oma wirst und stürbst, dann haben wir keine Eltern mehr!“ Er war völlig aufgelöst, kletterte auf meinen Schoß, ihm liefen die Tränen über das Gesicht.
„Und ich will kein alter Opa werden und sterben!“
Er tat mir so leid. Ich weiß nicht, wie er grade beim Aufräumen des Zimmers diese Erkenntnis hatte, das alle Lebewesen sterben müssen und das Sterben etwas Unwiderrufliches ist, aber ich merkte, das ihm genau das bewusst geworden ist.
Ich erinnerte mich, dass ich selber als Kind, so mit sechs oder sieben heftig unter dieser Erkenntnis gelitten habe. Bei mir war es das Schlagen meines Herzens und das Rauschen meiner Schlagader die ich hörte, wenn ich mit dem Ohr auf dem Kissen lag, die mich begreifen ließen: Wenn ich das nicht mehr höre, bin ich tot.
Und ich brachte es beim besten Willen nicht übers Herz, bei meinem Vorsatz zu bleiben, stehts bei der Wahrheit zu bleiben. Ich griff also zur Notlüge, drückte ihn ganz fest und versprach:
Schatz, hier stirbt erstmal Niemand! Versprochen!
Wie geht ihr mit dem Thema Tod um? Und wann habt ihr schon mal zu Notlügen gegriffen?
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