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Neuer Job – neuer Alltag

Wieder zwei Monate des neuen Jahres rum. Ein Sechstel also schon. Hallo? Kann die Zeit mal kurz still stehen, damit ich durchatmen kann?

Seit Anfang des Jahres habe ich einen neuen Job. 30 Stundenwoche, 1-2 Stunden pendeln täglich (je nach Verkehrsmittel), ansonsten zeitlich recht flexibel (so flexibel wie 30 Stunden sein können). Meistens fahre ich die Strecke mit dem Fahrrad, weil der Weg wirklich schön ist. 40 Minuten lang den Rhein hoch, erst links- dann rechtsrheinisch. Mein Büro ist leider aus der Kategorie Besenkammer und ich hab ja leider nicht so ein Händchen für Raumdeko, aber ich werde vermutlich ein, zwei Orchideen ans Fenster stellen, in der Hoffnung dass das Chi dadurch besser wird.

Das Beste an dem Job war, dass meine Kinder kein Thema sind/waren. Im besten Sinne. Im Vorstellungsgespräch schielte ich irgendwann auf meine Bewerbungsunterlagen, die meine Vorgesetzte vor sich liegen hatte um mich zu vergewissern, ob ich die Kinder im Lebenslauf stehen hatte oder nicht. Hatte ich aber, wie in den letzten Bewerbungen immer.

Die erste Zeit klappte recht reibungslos, Mann zu Hause, Kinder gesund. Trotzdem blieb wenig Zeit, und gab es doch welche nutzte ich sie statt zum Bloggen zum Freund_innen treffen, Lesen oder Sport machen. Die Nächte waren unruhig. Kind2 schläft immer noch bei uns im Bett und meinem Schlaf tut das nicht ganz so gut. Er schläft unruhig

In der letzten Woche fing der Montag mit einem hustenden Minime an. Ich blieb also zu Hause. Wir machten uns einen gemütlichen Tag. Dienstag ging er schon wieder in den Kindergarten, ich zur Arbeit. Mittwoch und Donnerstag hatte ich Urlaub, weil ich einen Vortrag in Hamburg über Alltagssexismus und Sexismus im Netz hielt. Bis Dienstag abend stand das aber noch auf kippligen Beinen, weil sich die Tagesmutter krank meldete und unsere Babysitterin ihren Sohn grade selber bei einer Tagesmutter eingewöhnte. Aber kurz bevor ich die Mail mit der Absage raus schicken wollte, schrieb die Babysitterin, dass die Eingewöhnung ihres Kindes ausfällt, weil bei ihrer Tagesmutter alle Kinder krank sind. Das ist so passend, wie wenn man es nicht rechtzeitig zum Bahnhof schafft, aber der Zug dann Verspätung hat. Selten, stressig, aber gut.

Hamburg war ein schöner Ausflug. Mit viel Lesen im Zug, Gesprächen mit interessanten und interessierten Menschen und einer Hotelübernachtung inklusive durchgeschlafener Nacht. Am nächsten morgen bin ich recht früh wieder zurück und habe also leider viel zu wenig von dieser schönen Stadt und ihren lieben Leuten gesehen. Donnerstag abend holte ich Minime von seiner Kindergartenfreundin ab. Er saß auf dem Sofa und an seiner Socke sah ich: BLUT! Er hatte sich am Vortag, als ihn die Babysitterin abholte, den Zeh in der Feuertür gequetscht. Die wollte er zuhalten, damit sein kleiner Bruder nicht abhaut. Dabei zog er sie über seinen Zeh. Davon wusste ich aber nichts (Murphy ey), ich zog ihm die Socke aus und sah einen blau-roten Zeh mit Kruste. Uiuiui. Tapferer kleiner Minime, der sich nicht beschwerte. Empört fotografierte ich den Zeh und schickte das Bild an den Mann. „Damit biste nicht zum Arzt?“ Der Mann versicherte, als er zuletzt drauf geguckt habe, hätte der Zeh noch nicht so schlimm ausgesehen.

Am Freitag rief ich beim Kinderarzt an, der mich direkt an den benachbarten Chirurgen/Orthopäden überwies, da der auch ein Röntgengerät hat. Von 9 bis ca. halb zwölf saßen wir also in der Praxis um dann zu hören, dass der Zeh angebrochen sein KÖNNTE, ansonsten aber nichts zu tun sei, als den Zeh mit einem Mullverband und Wundspray sauber und feucht zu halten, um am Montag noch mal vorstellig zu werden. Minime hat alles mit Bravour über sich ergehen lassen. Anschließend bin ich mit ihm ins Büro. Das Notwendigste erledigt und dann wieder nach Hause. Insgesamt war ich also anderthalb Tage in der Woche im Büro…

Das Wochenende war herrlich. Am Samstag sind wir spontan in die Heimatstadt vom Mann und mir gefahren. Die alte Disko in der wir uns damals aus sicherer Entfernung angehimmelt haben, machte am hellichten Tag auf um ein paar Bands spielen zu lassen. Die Kinder eingepackt und hin. War schon seltsam, bei Tageslicht vor diesem alten Gebäude zu stehen, einer ehemaligen Schachtanlage. Bei Tageslicht und neu renoviert (aktuell ist dort ein Projekt für Lanzeitarbeitslose untergebracht und ein Schulgarten) war es so ohne den abgerockten Charme, den es früher hatte. Anschließend sind wir noch zum Flughafen der Stadt, ein kleiner Flughafen von dem Segelflugzeuge und Fallschirmspringer_innen starten. Diesen Flughafen gab es auch schon, als ich dort noch wohnte aber ich war nie dort. Heute gibt es ein Café und Kinderspielplatz und wir kommen bestimmt noch mal wieder wenn die Sonne scheint.

So sieht das Leben grade aus. Jetzt im März wird Minime, mein „Kleiner“ schon fünf Jahre alt. Noch mal HALLO? Wo ist die Zeit hin? Es hilft nichts, die geht vorbei und vorbei und vorbei.

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Mein Senf zu #aufschrei

ich habe bisher nichts zu #aufschrei getwittert und geschrieben. nicht, weil es da nicht genug zu schreiben gäbe. eher weil

– ich mich in vielem wieder gefunden habe. ich lese diese tweets und denke: check, check, check, omg gott sei dank nicht!, check, nö, check… naja. alltag eben.

– weil andere sich bei diesen tweets  nicht wiederfinden konnten. ein paar haben ihre erfahrungen dann unter #queeraufschrei zusammen gefasst.

– weil ich keine lust hatte und habe, dass meine erlebnisse von anderen, von leuten die mich kennen und von solchen, die nicht, bewertet werden. die ersten diskussionen und blogeinträge und die ganzen darstellungen in den malestreammainstream-medien haben das sehr deutlich gezeigt: ach, stell dich nicht so an! ach komm, war doch nur nett gemeint! ey, der ist doch bloß betrunken! du, der arme hatte schon lange keine freundin mehr, nimm den nicht so ernst! du bist doch sonst nicht auf den mund gefallen, warum hast du denn nichts gesagt? dich nicht gewehrt?

denn DAS finde ich das eigentlich erbärmliche an der diskussion. dass der blick auf mich/die betroffenen gelenkt wird. denn ja, oft merkte ich erst spät, dass da ein (sexueller) übergriff statt gefunden hat. das hat mich schon oft ohnmächtig gemacht. weil ich das früher nicht so benannt hätte, nicht hätte benennen können. denn ich bin jemand, der grundsätzlich ihrer wahrnehmung nicht traut. denn was habe ich schon früh gelernt? es kann nicht sein, was nicht sein darf! das ich von lauter gutmeinenden menschen umgeben bin. und womöglich meine sicht der dinge nicht stimmt.

tja, und sich wehren? klar, kann man. aber der übergriff, die erfahrung ist ja trotzdem schon passiert. das arschloch bleibt ein arschloch. neulich erzählte eine freundin, sie war an einem frauen*tag in einem autonomen zentrum. zutritt nur für frauen*. zwei typen hatten das offensichtlich nicht mitbekommen, wollten einlass. die mitarbeiterin verwehrt den typen den eintritt und kriegt von einem dieser arschlöcher eine gescheuert. sie hat sich gewehrt. ändert nix an der tatsache, dass sie geschlagen wurde. ausnahmen? einzefälle? ich denke, allein die masse der tweets zu dem thema spricht eine andere sprache. und da ich schon länger bei twitter bin und auch schon länger feministin gibt es da auch #werbrauchtfeminismus, #ichhabenichtangezeigt und #hollaback – alles seiten und hashtags die schon seit langem offen legen, wie tief sexismus in dieser gesellschaft reicht. ist ja nicht so, als sei feminismus für mich ein schönes hobby, so wie orchideen züchten oder bücher lesen. warte, wenn ich die wahl habe, mich in meiner knappen, freien zeit mit schönen dingen wie bücher lesen zu beschäftigen oder damit, mich in diesem internet und im echten leben über sexismus aufzuregen wähle ich…….?!? genau.

so, weil ihr schon drauf gewartet habt: UND WAS IST MIT DEN MÄNNERN? die sind doch gar nicht ALLE so böse? sollte man nicht GEMEINSAM nach lösungen suchen, und darf man jetzt gar nicht mehr flirten??? (ok, durchatmen, bis 23 zählen und go:)

– schon recht zu beginn, als ich mich feministisch nannte, sagten mir männliche freunde so sachen wie „ich find es aber scheiße, wenn ich nachts wo lang laufe und ne frau die straßenseite wechselt, als sei ich ein potentieller ver*ewltger“. ach, so? tja lieber, man sieht dir deine absichten nicht an. also tu der frau doch den gefallen und wechsel einfach selber die straßenseite. ist ein sehr deutliches signal für: hey, ich tu dir nichts. ich kenne keine frau, die nicht irgendwelche strategien entwickelt hat um in der öffentlichkeit zu signalisieren: komm mir nicht zu nahe, sprich micht nicht an, tu mir nichts! blickkontakt vermeiden, so tun als telefonierte mensch, für das nachhausegehen auf eine freundin warten, auch wenn das heißt, man steht ne stunde auf der party/in der kneipe rum, obwohl man längst ins bett möchte.

– männer scheinen es immer noch für ein ungeschriebenes gesetz zu halten, dass sie den ersten schritt tun müssen (als wenn es bei der sexismusdebatte um FLIRTEN ginge. aber für die merkbefreiten:) und dass das so gewollt ist. wie sollen wir denn jetzt noch flirten? hallt es überall. als wenn ich als (hetero)frau nicht auch ’signale‘ aussenden könnte, den ersten schritt tun. nur lernen frauen eben sehr früh, dass das im zweifelsfall implizit für den typen heißt, alles ist erlaubt. ich will mich nicht ansprechen lassen, auf ein ‚getränk‘ einladen lassen, darauf eingehen und mir hinterher anhören müssen, ich hätte ‚es‘ doch gewollt…

– und lieber leser, wenn du zu den ‚guten‘ gehörst, dir selber nichts vorwerfen kannst und dich jetzt fragst, was du damit machen sollst – erstens: geh einen schritt weiter! selbst wenn du dich nie sexistisch verhalten hast, ich wette, du warst oft genug zeuge davon, dass ein kumpel, kollege oder vorgesetzter sich arschig und sexistisch verhalten hat. genau, dein kumpel der in der kneipe oder im club alles angräbt, was nicht bei drei auf den bäumen ist. der kollege, der dir von den tollen brüsten der praktikantin erzählt. sag ihm, er ist ein arsch. vielen dank. und: les was über consens culture.

—-

puh, dieser artikel arbeitet seit tagen in meinem kopf vor sich hin, ich bin immer noch nicht glücklich damit. schließlich wurde bereits wahnsinnig viel geschrieben, vermutlich auch schon alles, was ich jetzt dazu noch sagen konnte.

und wem das hier grad zu wenig muddi-minime-berichterstattung ist, der komme doch hier zu meiner facebook-seite

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