26. Mai 2014 · 11:16 am
Meine Freundin Nadine kennt ihr vielleicht schon von ihrem Blog „fashion, baby“ – dort schreibt sie über den Alltag mit Kind, Mode für Groß und Klein und ihre (Dienst! *Neid*)Reisen. Hier ihre Gedanken zum Thema meiner Interviewreihe:
Ich behaupte, dass die Mutterschaft für viele Frauen die erste Begegnung mit der Notwendigkeit zum Feminismus überhaupt ist.
Klar sind wir als Kinderlose alle irrsinnig moderne Frauen – und moderne Frauen sind doch automatisch emanzipiert (welch altmodisches Wort) und damit Feministinnen. Schließlich gehen wir arbeiten, und mehr als das, wir stehen im Beruf unseren Mann (eine Formulierung, die sich hartnäckig hält, als wäre die Orientierung an der Arbeit des Mannes die einzig wertige Messgröße). Manchmal recken wir sogar triumphierend die Faust in die Höhe, wenn wir uns im Job mal gegen reaktionäre Vorurteile und althergebrachte Verhaltensweisen so richtig durchgesetzt haben und sagen „das lass ich mir von dir nicht gefallen, du Mann, du!“.
Wir haben Beziehungen auf Augenhöhe, auch wenn der Partner in der Praxis häufig nur den Müll rausbringt und im Sommer die Steaks auf dem Grill wendet, bei der restlichen Hausarbeit aber eher geringfügig beschäftigt ist. Wir sind gut ausgebildet, reisen um die Welt und treffen wen wir wollen wann wir es wollen. Bei all dem glauben wir, die völlige Gleichberechtigung der Frau sei längst Realität und alles, wofür die Frauen früherer Generationen gekämpft haben erreicht.
Und dann werden wir schwanger.
Das Mantra der (erstmalig) Schwangeren lautet „Es bleibt alles wie es ist!“ (später ersetzt durch „es ist alles eine Phase!“). Wir wollen so cool bleiben wie vorher, werden weiterhin eine gute Freundin sein, natürlich nachts durch die Clubs tingeln („schließlich hat das Baby ja einen Vater!“) und natürlich nach spätestens einem Jahr wieder in den Beruf einsteigen. Wie genau insbesondere letzteres von statten gehen soll überlassen wir gerne dem Zufall – und begehen damit den ersten Fehler. Denn wir haben uns ja bislang viele Jahre lang in unseren Jobs bewiesen, glauben, dass unsere Arbeitgeber uns kennen und schätzen und dies natürlich auch weiterhin tun werden, wenn wir in Teilzeit und ohne klaren Plan wieder in den Beruf zurückkehren. Und sind dann überrascht, wenn das nicht der Fall ist, obwohl Arbeiten für eine Mama ganz klar das neue Frei ist. Dabei passiert es doch gar nicht so oft, dass unser Babysitter ausfällt, das Kind krank wird und/ oder wir selbst, wenn wir zu müde sind, um unsere Arbeit jeden Tag mit dem gleichen Elan zu tun wie vorher, auch weil wir wissen, dass dies nur die erste Schicht eines langen Tages ist.
Wenn uns die Kollegen nämlich ein neidisches „ach, schon frei?“ hinterher rufen wenn wir deutlich vor 18 Uhr das Büro verlassen, wissen wir selbst nämlich, dass zu Hause niemand die Tonnen Wäsche gewaschen hat, die mit Kind wundersamerweise nie weniger werden. Dass niemand eingekauft hat, niemand neue Hosen für das Kind gekauft hat, weil es aus den alten schon wieder rausgewachsen ist. Niemand hat einen Termin für die nächste U gemacht hat, niemand das Paket zur Post gebracht, und die Frage „Sekt oder Selters?“ beantwortet sich von selbst wenn man Abend für Abend am liebsten um 20 Uhr gemeinsam mit seinem Kind ins Bett sinken würde.
Wie konnte es soweit kommen?
Nun, zum einen sagt einem niemand vorher wie sehr man dieses kleine Wesen, das man so (relativ) nonchalant im Bauch herumgetragen hat lieben wird. So sehr, dass man nicht mehr ohne es sein will, dass Freundschaften und selbst die Partnerschaft in den Hintergrund treten vor dieser neuen, großen Liebe.
Dann die ganzen Zwänge, de facto, eingebildet oder selbst geschaffen. Man ist nämlich mit einem kleinen Kind tatsächlich nicht mehr so flexibel und mobil wie vorher. Klar, vieles geht im Prinzip schon, so wir uns das vorher ja auch überlegt hatten. Aber dabei hatten wir übersehen, dass wir es ja nicht mit einem Gegenstand zu tun haben, sondern mit einem kleinen, hilfsbedürftigen und manchmal ganz schön nervigen Menschen. Und dann geht man eben doch nicht mit dem Baby im Tuch zum Konzert, weil es sich zu wuselig anfühlt, und sowieso zu laut ist. Und man tanzt auch nicht mit der Freundin die Nächte durch, weil man einfach keinen weiteren Müdigkeitsfaktor mehr ertragen kann, Elternzeit hin oder her. Ausschlafen war früher.
Auf einmal steht man auch vor völlig neuen Herausforderungen. Stillen oder nicht? Tragetuch oder Kinderwagen? Und was ist überhaupt Attachment Parenting? Ich behaupte, wenn Frauen sich mit der gleichen Energie, die sie dabei aufwenden zum Beispiel das Stillthema im Netz zu kommentieren, ihren Karriereplänen widmen würden, stünde es um die Rolle der Frau in Führungspositionen in Deutschland deutlich besser.
Nun hat man ja, wie bereits vielfach beschworen, im Allgemeinen noch eine zweite Person am Start. Diese Person nennt sich nun Papa, liebt uns – warum sonst hätte er mit uns ein Kind gemacht? – und ist immer für uns da. Leider beinhaltet dies nicht unbedingt, dass er auch da ist, also physisch. Denn wenn wir uns auf die Rolle der Teilzeitmutti zurückziehen (weil wir das so wollen, nicht weil wir in irgendwelche Rollenklischees verfallen wären, neeeeee!), muss ja schließlich auch einer fürs Geld sorgen. Und da kommt er, der böse Satz: „Mein Partner verdient ja ohnehin mehr als ich, also geht er arbeiten und ich bleibe zu Hause.“. Ich will da nicht einfach drüber hinweg gehen, schließlich ist Geld kein überflüssiger Luxus. Trotzdem, eins ist sicher: Mit dieser Haltung bleibt der Mann derjenige, der mehr verdient, und spätestens ab dem zweiten Kind ist die klassische Rollenverteilung verfestigt, mit allem was dazu gehört.
Und dann ist es passiert, man ist eine von diesen „Muttis“, eine von denen, wie die man nie werden wollte. Es ging schnell, lautlos und hat nicht mal wehgetan. Denn man hat ja auch etwas bekommen: Viele schöne Stunden mit dem Kind, Vormittage mit den neuen Krabbelgruppenfreundinnen beim Brunch, Sommernachmittage mit den Füßen im Spielplatzsand. Das Leben mit Kind ist schön, manchmal verführerisch schön, so dass das fröhliche Kindergelächter ganz leicht die kleine Stimme übertönt, die sagt: „Du hast nicht mehr die gleichen Rechte wie früher, aber dafür viel mehr Pflichten. Ist das gerecht? Warum lässt du das zu?“.
Und dann wird eben nicht dafür gekämpft, dass sich etwas ändert. Nicht beim Partner, dass er mehr übernimmt, als während der zweimonatigen Elternzeit das Kinderzimmer mit Biofarbe zu streichen, nicht beim Arbeitgeber, damit er qualifizierte Arbeit zulässt und auch bezahlt, obwohl man um 13 Uhr gehen muss und vor allem nicht bei sich selbst. Denn man hat es ja so gewollt und schließlich gibt es nichts auf der Welt was einen so glücklich macht wie das eigene Kind.
Mit Feminismus hat das leider nichts zu tun, so wie es das Leben „davor“ auch nicht hatte, denn worauf man mal so stolz war, ist längst gesellschaftliche Selbstverständlichkeit.
Deshalb bedeutet Mutterschaft vielleicht zum ersten Mal, dass wir wirklich für unsere Rechte kämpfen müssen – und wenn wir das tun, dann werden wir auch etwas erreichen. Kämpfen heißt übrigens nicht unbedingt auch gewinnen. Es ist anstrengend und man wird manchmal verletzt. Trotzdem: Ich glaube fest daran, dass man Mutter sein und Mensch bleiben kann, aber von selbst geschieht das ganz sicher nicht.
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